# taz.de -- Katar und der Islamismus: Sagenhaft reich, politisch ambitioniert
       
       > Lange galt Katar als zuverlässiger Partner. Nun steht der Zwergstaat als
       > Finanzier islamistischer Terroristen am Pranger.
       
 (IMG) Bild: Die Skyline von Doha. Die Sternstunde des Emirats Katar ist vorüber.
       
       ISTANBUL taz | An wen wenden sich die USA, wenn sie mit den afghanischen
       Taliban verhandeln wollen? Wer soll helfen, wenn Amerikaner oder Europäer
       einen ihrer Bürger aus der Geiselhaft von radikalen Islamisten freibekommen
       möchten? An Katar, den Zwergstaat am Golf, der mit allen kann. Lange Zeit
       nahm man die guten Dienste des sagenhaft reichen und politisch
       ambitionierten Herrschers von Katar gern in Anspruch – und war voll des
       Lobes für seine Mittlerdienste in den Konflikten im Sudan, im Jemen, im
       Libanon oder zwischen den zerstrittenen Fraktionen der Palästinenser.
       
       Doch nun steht Katar plötzlich am Pranger. Der deutsche
       Entwicklungshilfeminister Gerd Müller warf dem Golfstaat gar vor, die
       Terrormiliz Islamischer Staat (IS) finanziell zu unterstützen. Müller hat
       dies inzwischen zurückgenommen und der katarische Außenminister Khalid
       Attiyah hat den Vorwurf empört von sich gewiesen: Sein Land unterstütze in
       keiner Weise extremistische Gruppen, auch die IS-Miliz nicht, sagte
       Attiyah. Ihre Ansichten, gewalttätigen Methoden und Ziele seien abstoßend.
       
       Aber der Vorwurf steht im Raum und lässt sich auch mit noch so ernst
       gemeinten Beteuerungen nicht aus der Welt schaffen. Das liegt auch daran,
       dass die Grenzen zwischen dem, was das Herrscherhaus und was private
       Finanziers tun, manchmal schwer erkennbar ist.
       
       Insofern hätte Müller aber genauso gut Saudi-Arabien oder Kuwait nennen
       können. Kuwait steht unter Experten ganz oben auf der Liste der privaten
       Sponsoren von Extremisten – offizieller Kurs der Regierung ist die
       Unterstützung der IS trotzdem nicht.
       
       Ohnehin ist die IS die erste Terrortruppe, die nur noch bedingt auf
       Überweisungen vom Golf angewiesen ist. Mit Erdölschmuggel, Transitgebühren
       von Lkw-Fahrern, von Geschäftsleuten erpressten Schutzgeldern sowie
       Steuern, die sie in den von ihnen beherrschten Gebieten erhebt, kann die IS
       ihr Kalifat und ihren Krieg derzeit ganz gut selbst finanzieren.
       
       ## „Club Med für Terroristen“
       
       Das Dilemma für Katar, sowohl regional wie international, ist vor allem,
       dass die Grenze zwischen den vom Herrscherhaus unterstützten Gruppierungen
       und islamischen Extremisten nicht so eindeutig ist, wie man sich das
       zumindest teilweise in Doha – vor allem aber im Westen – wünschen würde.
       
       Der Chef der radikalen palästinensischen Hamas, Khaled Meshal, residiert in
       einer schicken Villa in Doha. Scheich Yussuf al-Qaradawi, der Predigerstar
       aus Ägypten, darf auf Al-Dschasira zum Heiligen Krieg aufrufen. Einen „Club
       Med für Terroristen“, nannte der israelische Botschafter in Washington den
       Golfstaat diese Woche in der New York Times. 
       
       Das hat Katar freilich nicht daran gehindert, lange Zeit auch gute
       Beziehungen zu Israel zu unterhalten. Wie nach dem letzten Krieg 2008/2009
       will Doha auch jetzt wieder tief in die Taschen greifen, um den
       Wiederaufbau in Gaza zu finanzieren.
       
       Die Unterstützung der Hamas, aber auch für Qaradawi, steht in der Tradition
       der katarischen Außenpolitik, sich hinter die Muslimbrüder zu stellen. Das
       hat freilich weniger ideologische Gründe – wie in Saudi-Arabien folgen die
       meisten Katarer der wahhabitischen Auslegung des sunnitischen Islam – als
       vielmehr politische: Für den Vater des heutigen Emirs, Scheich Tamim bin
       Hamad al-Thani, galt es vielmehr, aufseiten der populärsten Bewegung in der
       Region zu stehen.
       
       Seine Sternstunde hatte dieser Kurs mit Ausbruch des Arabischen Frühlings
       2011, als dem Herrscher von Katar die Herzen in Tunesien, Ägypten und
       Libyen zuflogen. Der Satellitensender Al-Dschasira, der für sich in
       Anspruch nahm, dem Volk eine Stimme zu geben, war der Darling der Massen.
       Aus dieser Zeit rührt auch die enge Zusammenarbeit mit der türkischen
       Regierung her.
       
       Schon in Syrien stieß die Politik freilich an ihre Grenzen.
       Rebellengruppen, die Katar mit Waffen und Geld versorgte, radikalisierten
       sich angesichts des brutalen Kriegs immer mehr oder verschwanden ganz von
       der Bildfläche. So musste Doha etwa die Unterstützung für Ahrar al-Scham,
       einen der wichtigsten Rebellenverbände, unter Druck Washingtons einstellen,
       weil sich seine Ziele kaum noch von der Terrogruppe al-Qaida unterscheiden.
       Am Ende schlossen sich viele seiner Kämpfer den Extremisten der IS an.
       
       Und die Nusra-Front, mit der Katar so gute Kontakte unterhält, dass es
       mehrere Geiselfreilassungen aushandeln konnte – zuletzt diese Woche die des
       Amerikaners Peter Theo Curtis –, ist der syrische Ableger der
       Al-Qaida-Zentrale unter Aiman al-Sawahiri.
       
       ## Folgenreicher Streit
       
       Spätestens seit dem Sturz von Mohammed Mursi in Ägypten im letzten Jahr
       bläst ein kalter Wind Katar und seinem Verbündeten in Ankara entgegen.
       Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE), denen die
       Unterstützung der Muslimbrüder auch aus innenpolitischen Gründen immer ein
       Dorn im Auge war, sahen die Stunde gekommen, den Nachbarn in die Schranken
       zu weisen.
       
       Der regionale Konflikt trägt auch dazu bei, dass bisher sämtliche Versuche
       gescheitert sind, die moderaten Rebellen in Syrien zu einen: In Libyen
       kämpfen derzeit die von den Vereinigten Arabischen Emiraten unterstützten
       Milizen aus Sintan westlich der Hauptstadt von Tripolis gegen die von Katar
       unterstützten Rebellen aus Misrata. Dass Katar, Saudi-Arabien und die VAE
       ihren Konflikt bald beilegen werden, ist unwahrscheinlich. In Katar sitzt
       die Angst tief, von Saudi-Arabien geschluckt zu werden oder im Konflikt
       zwischen dem sunnitischen Schwergewicht und seinem schiitischen Rivalen
       Iran unter die Räder zu kommen.
       
       Anders als der König in Saudi-Arabien muss der junge Emir von Katar auch
       nicht mit nennenswertem Widerstand in der eigenen Bevölkerung rechnen. Dass
       längst versprochene politische Reformen in Katar nicht vom Fleck kommen und
       es nur auf kommunaler Ebene Wahlen gibt, stört nur wenige. In dem
       konservativen Land halten es besonders Frauen für einen großen Fortschritt,
       dass sie die Möglichkeit haben, an Niederlassungen renommierter
       US-Universitäten zu studieren.
       
       Außenpolitisch könnte es dem Emir freilich ergehen wie der von
       Korruptionsvorwürfen überschatteten Fußballweltmeisterschaft: Statt dem
       Aufstieg droht der Abstieg, falls es dem Emir nicht gelingt, das richtige
       Maß für die außenpolitischen Ambitionen zu finden.
       
       28 Aug 2014
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Inga Rogg
       
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