# taz.de -- Buddhisten und Muslime in Birma: Stadt der Verschwörungstheorien
       
       > In Mandalay trügt die Ruhe. Hier liefern sich Buddhisten und Muslime
       > Straßenschlachten. Manchmal lösen schon Gerüchte die Gewalt aus.
       
 (IMG) Bild: Nach Ausschreitungen bewacht ein Polizist eine Kreuzung.
       
       MANDALAY taz | Mandalay, die zweitgrößte Stadt des von den Militärs in
       Myanmar umbenannten Birma, ist die heimliche Hauptstadt des politischen
       Buddhismus des Landes. Nirgendwo anders gehen seit Jahren Mönche so häufig
       auf die Straße. Ihre Demonstrationen gegen die Militärjunta in den letzten
       Jahrzehnten wurden weltweit beachtet. Doch in jüngster Zeit richtet sich
       der religiöse Eifer gegen Muslime.
       
       Am 1. Juli wurde in einem sozialen Netzwerk berichtet, eine buddhistische
       Serviererin sei in einem von Muslimen betriebenen Teehaus vergewaltigt
       worden. Jugendliche zerstörten darauf Autos und griffen Moscheen an. Mönche
       nahmen daran teil und gaben damit ihren Segen. Die Polizei schritt ein,
       doch die Unruhen gingen weiter. Später gab es zwei Tote, einen Buddhisten
       und einen Muslim.
       
       Damit setzten sich die Ausschreitungen gegen die muslimische Minderheit im
       Lande fort, die in den letzten Jahren Hunderte Tote forderten und im Westen
       des Landes Tausende Muslime zu Binnenflüchtlingen in Lagern machten. Dort
       sind die Lebensverhältnisse erbärmlich. Auf Druck der von Mitgliedern der
       Mönchsgemeinschaft unterstützten buddhistischen Mehrheitsbevölkerung
       mussten sich ausländische Hilfsorganisationen zurückziehen.
       
       Äußerlich ist Mandalay dieser Tage so ruhig wie das ganze Land. Aber die
       Ruhe trügt. Das zeigt die Reaktion eines älteren Muslims auf die Frage, wie
       er sich fühle. „Wenn Sie meinen Namen oder meine Position öffentlich
       machen, lande ich sechs Monate im Gefängnis – mindestens.“ Erst dann
       beantwortet er die Frage: „Myanmar ist kein Land mehr, in dem Muslime leben
       können.“ Zur Erläuterung für den deutschen Gesprächspartner sagt er: „Sie
       behandeln uns wie die Nazis die Juden behandelt haben.“
       
       ## Die Handlanger sind bekannt
       
       Sie – das sind die „dunklen Kräfte“ in der vom Militär gestützten Regierung
       und ihre buddhistischen Helfer. Die Hintermänner bleiben ungenannt. Aber es
       ist klar, dass sie in der Armee zu suchen sind. Deren Führung ist rein
       buddhistisch-birmanisch und will das Land seit Langem in einen
       buddhistischen Einheitsstaat umwandeln, glauben vieler Muslime.
       
       Die Handlanger sind bekannt. Etwa Mönche wie der in Mandalay beheimatete
       Wirathu, dessen viel gelesene Facebook-Seite einen Link zum Bericht über
       die angebliche Vergewaltigung enthielt. Und da sind aufgestachelte
       jugendliche Mobs, die von ihren Motorrädern aus nichtbuddhistische Fremde
       auffordern zu verschwinden.
       
       Das findet auch bei gebildeten Schichten der birmanischen Bevölkerung
       Anklang. Der anonyme Muslim berichtet, einem buddhistischen Lehrer sei nach
       antimuslimischen Unruhen gegenüber einem muslimischen Kollegen bei einem
       Dorfbesuch herausgerutscht: „Hier gibt es zum Glück nun keine Moslems und
       keine Moschee mehr.“
       
       Muslime konzentrieren sich in den großen Städten wie Mandalay auf einzelne
       Quartiere. Dort sind sie bereit, sich zu verteidigen mit Stöcken, Keulen
       und Schlachtmessern. Dies hinderte mehrfach Mobs daran, in muslimische
       Viertel einzudringen. Doch sind sich die muslimische Gruppen nicht einig.
       So schickten Religionsgelehrte einen jungen Prediger nach Mandalay, der zum
       Heiligen Krieg aufrief. Dann tauchte er unter. An seinen Stelle wurden drei
       Prediger verhaftet, die damit nichts zu tun hatten, sagt der anonym
       bleibende Muslim. Seine Aussagen lassen sich nicht überprüfen, zeigen aber
       die Macht der kursierenden Gerüchte.
       
       ## Überforderte Regierung
       
       So stehen sich in Mandalay und anderen Landesteilen zwei
       Verschwörungstheorien gegenüber: Muslime fürchten, sie sollen vertrieben
       oder gar vernichtet werden. Umgekehrt wird den Muslimen von Buddhisten seit
       der Kolonialzeit, in der viele Muslime aus Indien kamen, ein Plan zur
       Verdrängung der buddhistischen Bevölkerung unterstellt. Muslimische Männer
       würden massenhaft buddhistische Frauen heiraten, die dann mit den
       gemeinsamen Kindern zu Muslimen würden.
       
       Deshalb lösen Gerüchte von Vergewaltigungen buddhistischer Frauen durch
       Muslime immer wieder Gewalt von Buddhisten aus. Die Regierung von Präsident
       Thein Sein ist mit dem Konflikt total überfordert. Deshalb sollte
       Bundeskanzlerin Angela Merkel mit ihm bei seinem Berlin-Besuch am Mittwoch
       langfristige Lösungsmöglichkeiten erörtern.
       
       2 Sep 2014
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Hans-Bernd Zöllner
       
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