# taz.de -- Kolumne Ich meld' mich: Nicht so sein Tag
       
       > In einer der rauesten und abgelegensten Gegenden Europas, in Islands
       > Westfjorden, wärmt ein guter Whisky mehr als alles andere.
       
       In den Westfjorden Islands, einer der rauesten und abgelegensten Gegenden
       Europas, wohnen angeblich die besten Seefahrer der Welt. Einen noch
       größeren Namen haben sie sich freilich als Strandräuber gemacht: Ein
       Schiff, das dort auflief, hatte nie eine Chance.
       
       In diesem Winter gibt es einen kräftigen Sturm. Reimar Thordur, einer der
       Verwegensten unter den Verwegenen, ist auf See. Schlimmstes Wetter, ein
       Orkan, dass sie in den Dörfern bedenklich gucken. Aber Reimar navigiert wie
       ein Freibeuter und tuckert die Küste entlang Meter für Meter nach Hause.
       
       Es wird Abend, plötzlich sieht er in einer Bucht einen Container liegen,
       offenbar von einem Frachter gespült. Und das Beste: Die Stahlbox hat einen
       Aufdruck: "Johnny Walker". Ein ganzer Container voll Whisky - da kann ein
       richtiger Isländer nicht widerstehen.
       
       Unter Lebensgefahr lenkt Reimar sein Schiff in die Bucht und paddelt im
       Beiboot an Land. Dort aber erwartet ihn eine Riesenenttäuschung: Der
       Container steckt fest in den Felsen - und er ist verschlossen. Reimar
       rüttelt, flucht, tritt dagegen - es hilft nichts, das Schloss hält.
       
       Aufgeregt pflügt er durch die aufgewühlte See nach Látralag, seinem
       Zuhause, und macht leise fest, damit keiner seiner Kumpel auftaucht: Einen
       Container voll Whisky hat ein richtiger Isländer lieber für sich allein. Er
       lädt ein paar Stemmeisen, den Vorschlaghammer und eine Eisensäge ins Boot.
       Dann tuckert er wieder hinaus in den Sturm. Es dauert lange, aber er
       schafft es bis zur Bucht, ankert und macht sich an die Arbeit.
       
       Wie ein Ochse schwitzt und schuftet er, und als der Morgen dämmert, hat er
       es geschafft: Schloss und Riegel fallen ab. Voller Vorfreude leckt er sich
       die Lippen, zieht die schwere Tür auf - und erstarrt: Vor ihm ragen Felsen
       hoch und darüber funkeln Morgensterne. Der Sturm hatte die Rückwand des
       Containers schon vorher losgerissen, die ganze Kiste wurde leer angespült.
       "Einmal im Leben richtig geschuftet", grinst Reimar. "Ehrliche Arbeit lohnt
       sich einfach nicht."
       
       18 Oct 2014
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Franz Lerchenmüller
       
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