# taz.de -- Wiederendeckter Komponist Hans Krása: Mit Grandezza und leichter Hand
       
       > Komponist Hans Krása wurde nach seiner Ermordung in Auschwitz kaum
       > gespielt. Nun wird in Karlsruhe seine Oper „Die Verlobung im Traum“
       > aufgeführt.
       
 (IMG) Bild: Krása-Oper „Die Verlobung im Traum“ in Karlsruhe: eine Komödie, die ins Groteske umschlägt.
       
       Wenn das Badische Staatstheater Karlsruhe seinen Spielzeit-Auftakt
       „verkauft“, dann wird die Wiederaufnahme des „Rosenkavalier“ in einem
       Atemzug mit der „[1][Verlobung im Traum]“ von Hans Krása genannt. In beiden
       Fällen spielt der Kalender eine Rolle, der 150. Geburtstag von Richard
       Strauss, der 70. Todestag von Hans Krása.
       
       Der Bajuware Strauss verabschiedete sich mit dem walzernden Wiener
       Pseudorokoko des „Rosenkavaliers“ vom Pfad der Moderne und beschritt einen
       eigensinnigen Weg ins Märchenhafte, Mythische und Bukolische – nicht ohne
       zwischenzeitlich die Hymne für Hitlers Olympiade zu komponieren und dessen
       Reichsmusikkammer vorzustehen.
       
       Hans Krása, 1899 in Prag geboren und Jude, der sein musikalisches Handwerk
       Alexander von Zemlinski verdankte und dessen Karriere sich in den zwanziger
       Jahren gut anließ, fiel am 18. Oktober 1944 in einer Auschwitzer Gaskammer
       dem Rassenwahn der Nazis zum Opfer. Verlangt schon das Strauss-Jubiläum den
       Diskurs über seine Rolle als Zeitgenosse, so erinnert die 70. Wiederkehr
       des Todestages von Hans Krása an das finsterste Kapitel der deutschen
       Geschichte.
       
       Die Ignoranz, mit der die Nachwelt nicht nur Krása, sondern auch seine
       Schicksalsgenossen Viktor Ullmann, Pavel Haas, Franz Schreker, Berthold
       Goldschmidt, Walter Braunfels oder Erwin Schulhoff behandelte, macht die
       Sache noch schlimmer. Jeder in den Orkus des Vergessens Verbannte, der
       nicht wirklich rehabilitiert, also mit seinen Werken auf die Bühnen
       zurückgeholt wurde, bleibt ein später Erfolg von Goebbels & Co; genauso wie
       auf andere Weise die Ufa-Dauerbrenner aus jener Zeit.
       
       ## Traurige Berühmtheit
       
       Krása hat nur zwei Werke für die Opernbühne komponiert. Eins davon ist die
       Kinderoper „Brundibár“, die eine traurige Berühmtheit erlangte. Nachdem
       Krása sie 1942 in Prag mit jüdischen Waisenkindern einstudiert hatte, hat
       er das Werk nach seiner Deportation nach Theresienstadt am 10. August 1942
       unter den erbärmlichen Lagerbedingungen über 55-mal dort aufgeführt. Schon
       weil diese Kinder immer wieder nach Auschwitz abtransportiert und ermordet
       wurden, gehört es zu den besonders perfiden Einfällen der Nazis, dass
       „Brundibár“ in einem Propagandastreifen der Nazis über das „fröhliche
       Lagerleben“ in Theresienstadt gezeigt wird.
       
       Mit seinem „Opus 1“, den 1921 in Prag uraufgeführten Orchestergrotesken mit
       begleitender Singstimme nach Christian Morgensterns „Galgenliedern“, hatte
       der 22-Jährige Furore gemacht. Er war exzellent mit Musikern und Literaten
       in ganz Europa vernetzt, ging für einige Zeit nach Paris, liebte nach dem
       Zeugnis von Freunden das Leben als Bohemien mehr als eine zielstrebig
       verfolgte Karriere, komponierte, wenn er es tat, mit leichter Hand.
       
       Dieser genialischen Grandezza verdankte er auch seine erste Oper nach der
       Dostojewski-Novelle „Onkelchens Traum“, eben jene „Verlobung im Traum“, die
       jetzt (nach einer Koproduktion von Mannheim und Prag 1994) in Karlsruhe
       erst ihre zweite Nachinszenierung erlebte. Obwohl der Komponist damit weder
       das Jahrhundert in die Schranken forderte noch einen atonalen Schocker
       ablieferte.
       
       Er griff vielmehr so mit Lust und Könnerschaft ins volle Musikleben,
       bediente sich, wo immer er es für geboten hielt und präsentierte dennoch
       überzeugend eine eigene Handschrift, dass es auch heute noch eine Freude
       ist, dem zuzuhören. Wobei sein Kampf um die Uraufführung schon von der
       drohenden Machtergreifung der Nazis überschattet war, in Deutschland trotz
       des Interesses großer Häuser und Dirigenten nicht gelang und erst 1933 in
       Prag mit großem Erfolg glückte.
       
       ## Destilliertes Libretto
       
       Wie Dostojewskis Novelle aus dem Jahre 1859, so ist auch das von Rudolf
       Thomas und Rudolf Fuchs daraus destillierte Libretto von feinem Humor, ohne
       dem einen oder anderen Kalauer auszuweichen. Ein alter, leicht seniler
       Fürst (wunderbar zwischen Traumtänzer und Trottel: Jaco Venter) fällt wegen
       einer Panne einem Provinz-Musterexemplar von Mutter (Dana Beth Miller) in
       die Hände, die ihre Tochter Sina (verträumt: Agnieszka Tomaszewska) unter
       die Haube bringen will. Die liebt zwar einen kränkelnden Revoluzzer, lässt
       sich aber breitschlagen, den Alten nach einem hingeschmachteten „Casta
       diva“ (aus Bellinis „Norma“) zu einem Heiratsantrag zu verführen. Sein
       Neffe Paul (Christian Voigt) wiederum redet dem Alten ein, wieder einmal
       alles nur geträumt zu haben.
       
       Ingo Kerkhof (Regie), Dirk Becker (Bühne) und Inge Medert (Kostüme)
       verlegen dieses Kammerspiel ins Varietémilieu der Entstehungszeit. Mit
       Nummerngirls und diversem Theater- und Kostüm-Drum-und-Dran der Zwanziger
       und einigen Turbulenzen, bis alles auffliegt, weil die potenzielle Braut
       Sina alles eingesteht.
       
       Das Grandiose an dieser Traumnovelle ist die von Justin Brown und der
       Badischen Staatskapelle mit temperamentvollem Drive servierte Musik. Sie
       lässt die Komödie ins Groteske umschlagen, trägt das Parlando oder zaubert,
       wenn die intrigante Nastassja die örtlichen Klatschbasen mobilisiert, um
       die Hochzeit zu verhindern, ein Chaos herbei, als würde die Prügelfuge aus
       Wagners „Meistersingern“ parodiert.
       
       Überhaupt wechselt Hans Krása so souverän und mit Raffinesse zwischen den
       emotionalen Tonlagen und seinen Ausdrucksmitteln, dass man die musikalisch
       bunt tobende Entstehungszeit ebenso durchzuhören vermeint wie den
       augenzwinkernden Witz, bei dem die Oper die Operette parodiert. Oder
       umgekehrt. Schade, dass man nur davon träumen kann, was von diesem
       Komponisten noch zu erwarten gewesen wäre. Der Blick auf seine Biografie
       bleibt ein ziemlich deutscher Albtraum!
       
       20 Oct 2014
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] http://www.staatstheater.karlsruhe.de/programm/info/1868/
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Joachim Lange
       
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