# taz.de -- Gabriele Pauli im Sylter Wahlkampf: Die Bayerin und das Meer
       
       > Gabriele Pauli war erst Landrätin, dann CSU-Rebellin und Star der Freien
       > Wähler. Jetzt will sie Bürgermeisterin auf Sylt werden.
       
 (IMG) Bild: Will wieder an die Nordsee: Gabriele Pauli, jetzt wetterfest.
       
       SYLT taz | Richtig am Strand war sie noch nie. Nur mit den Fotografen und
       den Kamerateams natürlich, denn das ist die Geschichte, die alle wollen:
       die Bayerin und das Meer. Die CSU-Rebellin, die es nun auf Sylt versucht,
       der Insel der Schönen und Reichen. Gabriele Pauli ist wieder sehr gefragt.
       „Zeit für einen langen Strandspaziergang hatte ich bisher nicht“, sagt die
       Frau, die Bürgermeisterin von Sylt werden will. Und gibt zu, dass sie auch
       selbst schuld ist: „Wenn mal eine halbe Stunde Zeit ist, versuche ich da
       noch einen Termin reinzustopfen.“
       
       Ihre Kandidatur in der 15.000-Einwohner-Gemeinde hat bundesweit für
       Aufsehen gesorgt. Die jetzige Verwaltungschefin Petra Reiber ist seit 1991
       im Amt. Bei der Wahl im Dezember tritt die 57-Jährige nicht mehr an. Der
       „Knochenjob“ reiche ihr, sagte sie. Gabriele Pauli ist genauso alt, und sie
       will den Job. Es war ursprünglich nicht ihre eigene Idee.
       
       Ein Gastwirt rief bei ihr an und fragte, ob sie kandidieren wolle. Bis
       dahin kannte Pauli Sylt nicht, und es dauerte einige Wochen, bis sie die
       Insel schätzen lernte – das nehmen ihr manche übel, etwa Erik Kennel von
       der Sylter Wählergemeinschaft (SWG). Bei ihrer Vorstellung habe Pauli
       „einen sehr kompetenten Eindruck hinterlassen“, lobte er. Doch sie ins
       Rennen schicken? Nein, entschied die SWG: Pauli sei „zu schwankend in der
       Frage der Kandidatur“ gewesen. Jetzt tritt sie als Einzelbewerberin an.
       
       Gabriele Pauli schaut auf die Brandung und atmet tief ein. Die Sonne sorgt
       für spätsommerliche Wärme, die Wellen rauschen. Sylt sieht aus wie seine
       eigene Postkarte. Aber Pauli freut sich auf den Winter: „Hier ist das
       Wetter selbst das Naturereignis, auch wenn der Himmel grau ist“, sagt sie.
       Auch die Menschen hätten es ihr angetan: „Man sieht hier Dinge nicht so
       eng, die Leute sind nicht so hektisch.“ Und alle seien freundlich zu der
       Neuen.
       
       ## Sylt im Ausnahmezustand
       
       Dabei gab es auch andere Reaktionen. Robert Habeck, grüner Umweltminister,
       hatte auf die Frage, was er von Paulis Kandidatur halte, geantwortet: „Als
       Norddeutscher würde ich keine Bayerin wählen.“ Inzwischen entschuldigte er
       sich: Er beurteile Menschen „aufgrund ihrer Eigenschaften und Fähigkeiten,
       nicht nach ihrer landsmannschaftlichen Zugehörigkeit“.
       
       Sylt und die Fremden, wie sie sich gegenseitig sehen und was sie
       voneinander halten, zählt zu den zentralen Themen Sylts. Am Bahnhof von
       Westerland, dem größten Ort der Gemeinde Sylt, die 2009 aus Sylt-Ost,
       Rantum und Westerland entstanden ist, steht eine Figurengruppe in dem
       gleichen giftgrünen Farbton wie die Jacke, die Gabriele Pauli trägt. Die
       „Reisenden Riesen“ stellen eine Urlauberfamilie dar – überlebensgroß, mit
       gewaltigen Füßen. Es ist auf den ersten Blick eine bunte, lustige Skulptur,
       aber die Figuren zeigen beide Seiten des Tourismus: Die Fremden sind
       fröhlich, aber unübersehbar. Und nehmen mit ihren teils verdrehten
       Gesichtern die Welt als Ausnahmezustand wahr.
       
       Die Sylter profitieren vom Ausnahmezustand der anderen, aber sie zahlen
       auch einen Preis – am sichtbarsten an den Immobilienkosten. Die Makler in
       Westerland preisen ein „Reihenmittelhaus“ für 645.000 Euro, eine
       „Dreiraumwohnung unter Reet“ für 329.000 und ein Einfamilienhaus in
       Strandnähe für über eine Million Euro an. Viele Sylter ziehen deshalb aufs
       Festland und pendeln zum Arbeiten auf die Insel. Selbst Petra Reiber sagt,
       sie werde sich im Ruhestand „Sylt nicht mehr leisten können“.
       
       ## Die Macht von Bildern
       
       Gabriele Pauli, die sich eine kleine Wohnung in Westerland gemietet hat,
       spricht schon ganz als künftige Bürgermeisterin: „Touristen sind
       willkommen.“ Ein Problem seien dagegen „Spekulanten“, die die Preise in die
       Höhe trieben. Es müsse mehr bezahlbarer Wohnraum geschaffen werden. Sie
       kann Fragen zur Schwimmbadsanierung beantworten, hat sich Gedanken über
       Tourismuskonzepte außerhalb der Hauptsaison gemacht und hat eine Meinung
       zur Frage, wo die Beton-Tetrapoden am sinnvollsten für den Küstenschutz
       eingesetzt wären. Und weist immer darauf hin, dass es „bereits viele kluge
       Konzepte“ gebe und sie nichts vorgeben wolle.
       
       Pauli weiß um die Macht von Bildern. Sie tritt mit der grünen Windjacke und
       Fotos im Strandkorb gegen ihr Image des Schrillen und Glamourösen an. Das
       machte sich fest an Accessoires wie dem Motorrad, mit dem sie bei
       CSU-Parteitagen vorfuhr, und den Latex-Handschuhen, die sie für eine
       Fotostrecke anzog. Pauli war immer beides: Fachfrau und Medienfigur. Sie
       studierte Volkswirtschaft, liebäugelte mit einer Medienkarriere, startete
       aber schnell in der Jungen Union durch. Sie war Landrätin, bevor sie offen
       gegen Edmund Stoiber antrat und dafür von der CSU abgestraft wurde. Dann
       trat Pauli den Freien Wählern bei, zog mit ihnen 2008 in den Bayerischen
       Landtag ein. Als sie ankündigte, mit einer eigenen Partei in den Bundestag
       zu wollen, schlossen die Freien Wähler sie aus.
       
       Und nun Verwaltungschefin einer Kleinstgemeinde, wenn auch einer mit
       schöner Lage? Von Karriereknick könne keine Rede sein, sagt Pauli.
       Kommunalpolitik sei ihr Leben – sie komme, um zu bleiben: „Ich brauche, was
       Sylt bietet.“ Die Frage ist nur, ob die Sylter diese Liebe erwidern.
       
       27 Oct 2014
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Esther Geisslinger
       
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