# taz.de -- Profi-Fußball in Indien: Ein neuer Markt für den Fußball
       
       > Mit Stars wie Anelka und Del Piero startet die indische Super League.
       > Klubs wie Inter Mailand geben Geld. Und Fans? Gibt es auch.
       
 (IMG) Bild: Eröffnung mit viel Pyrotechnik: Start der Indian Super League am 12. Oktober im Salt-Lake-Stadion von Kalkutta
       
       DELHI taz | Es läuft die 38. Spielminute in der Partie Delhi Dynamos gegen
       FC Pune. Ein eher durchschnittlicher Kick, die rund 20.000 indischen Fans
       in Delhi sind ruhig geworden. Schlachtrufe oder Fangesänge kennen sie
       nicht, ihren Verein gibt es erst seit wenigen Wochen. Und nun krümmt sich
       auch noch der bislang beste Spieler verletzt im Mittelkreis.
       
       Doch plötzlich wird es ohrenbetäubend laut im Jawaharlal-Nehru-Stadion: Die
       Zuschauer springen von ihren Sitzen, sie klatschen in die Hände, jubeln vor
       Freude: Superstar Alessandro Del Piero hat sich von der Auswechselbank der
       Delhi Dynamos erhoben. Ein kurzer Wink zu den indischen Fans, dann trabt er
       gemächlich Richtung Spielfeld. Del Piero ist inzwischen 39 Jahre alt,
       achtmal hat er die italienische Meisterschaft gewonnen, dazu die Champions
       League und den Weltpokal, mit Italien wurde er Weltmeister. Nun ist er der
       Heilsbringer – für das Spiel gegen Pune, für die Fans in Delhi, eigentlich
       für den gesamten Fußball in Indien.
       
       Schon 2007 bezeichnete Fifa-Präsident Sepp Blatter den indischen
       Fußballsport als „schlafenden Riesen“. Geweckt hat ihn bislang niemand,
       auch sieben Jahre später befindet sich der Riese noch immer im Tiefschlaf:
       In der aktuellen Fifa-Weltrangliste belegt Indien Platz 158, hinter den
       Malediven, Guyana oder Neukaledonien. Die knapp 1,2 Milliarden Inder lieben
       Kricket – und dann lange nichts.
       
       Das soll sich nun ändern mit Hilfe der „Indian Super League“ (ISL). Die
       Liga ist vor zwei Wochen gestartet, sie besteht aus acht Vereinen, alle
       spielen zweimal gegeneinander, es folgen Play-offs und das große Finale am
       20. Dezember. Um für Attraktivität zu sorgen, hat jeder Verein einen
       Vorzeigespieler unter Vertrag: Spieler wie Robert Pires (einst Arsenal
       London/jetzt FC Goa), Fredrik Ljungberg (Arsenal/Mumbai City FC), Luis
       García (Champions-League-Sieger 2005 mit Liverpool/Atlético de Kolkata),
       David Trezeguet (Weltmeister mit Frankreich 2006/FC Pune City) oder Nicolas
       Anelka (Mumbai). Als Trainer wurden unter anderem der Brasilianer Zico
       (Goa), Marco Materazzi (Chennaiyin FC) und Peter Reid (Mumbai)
       verpflichtet. Die Liste liest sich wie ein Who’s who des internationalen
       Fußballs – der schon eine Weile vergangenen Jahre.
       
       ## „Wo gibt es denn Fußballplätze?“
       
       In den USA ist ein ähnliches Unterfangen vor Jahren gescheitert, trotz
       Stars wie Franz Beckenbauer oder Pelé. Auch Indiens renommiertester
       Sportkommentator Novy Kapadia warnt: „Man darf jetzt nicht ein
       Glamour-Event über das Land stülpen und denken, der Rest entwickelt sich
       von alleine.“
       
       Kapadia verweist auf die bereits bestehende Fußballliga I-League. Sie
       konnte sich nur in Regionen wie Goa oder Bengalen etablieren. Dort sind die
       Inder ohnehin fußballverrückt: In Goa machten die portugiesischen
       Kolonialherren den Fußball populär, in Bengalen bezwangen indische
       Fußballer in einem legendären Match die britischen Machthaber und sorgten
       so für den Durchbruch des Sports. „Die ISL ist ein guter Start, aber wir
       benötigen ein langfristiges Engagement und professionelle Strukturen“,
       meint Kapadia. Vor allem fehle die nötige Infrastruktur, um Jugendliche an
       den Sport heranzuführen. „Schauen Sie sich um, wo gibt es denn
       Fußballplätze?“ Man müsse die Kinder in Schulen, in Vereinen und in ihrer
       Freizeit für den Sport gewinnen.
       
       Aus einigen Fehlern der Vergangenheit haben die Organisatoren der ISL
       jedenfalls gelernt. 2002 scheiterte ein ähnliches Projekt mangels
       Sponsoren. Diesmal ist das nötige Kapital vorhanden. Hinter der neuen
       Super-Liga stehen Indiens reichster Mann Mukesh Ambani, der
       US-amerikanische Vermarktungsriese IMG und der australische Fernsehmogul
       Rupert Murdoch. Zudem hat man sich Unterstützung aus dem Kricketsport sowie
       aus der Bollywood-Filmindustrie gesichert: Indiens Kricketlegende Sachin
       Tendulkar hat für eine Viertelmillion Dollar einen Klub gekauft, ebenso
       Ranbir Kapoor, Megastar aus Bollywood und neuer Chef des deutschen
       Abwehrspielers Manuel Friedrich.
       
       ## Kricket dominiert, Fußball holt auf
       
       Umgerechnet 90 Millionen Euro zahlten die ISL-Finanziers dem indischen
       Fußballverband AIFF für die kommerziellen Rechte bis 2025, im Gegenzug
       kassierten sie für eine zehnjährige Vereinslizenz 20 Millionen Euro. Der
       ISL-Marktwert von 160 Millionen Euro ist allerdings eher bescheiden: Die
       deutsche Bundesliga soll geschätzt 2,4 Milliarden Euro wert sein, die
       indische Kricketliga IPL gar vier Milliarden Euro. Nita Ambani,
       Cheforganisatorin der Fußballliga und Frau von Mukesh Ambani, preist die
       Zukunftschancen des Projekts: „Das zu großen Teilen noch unerschlossene
       Potenzial des Fußballs in Indien bietet die Chancen auf einen beispiellosen
       kommerziellen Erfolg.“
       
       Das sehen viele ähnlich. Spaniens Meister Atlético Madrid kooperiert eng
       mit Kolkata und dient zudem als Namenspate. „Wir sind begeistert über die
       Perspektive, Atlético Madrid auf diesem Weg mit einem der
       einwohnerstärksten Länder der Welt verbinden zu können“, sagt Besitzer
       Miguel Angel Gil. Inter Mailand hält Aktien an dem Team aus Chennai, der
       Mario-Gomez-Klub AC Florenz unterstützt FC Pune City, und Feyenoord
       Rotterdam ist mit den Delhi Dynamos um Alessandro Del Piero verbunden.
       Andere Klubs wie Manchester United, FC Chelsea, FC Barcelona und Arsenal
       veranstalteten Fußballcamps in Indien.
       
       Denn die Inder sind fußballverrückt. Zwar dominiert Kricket unangefochten
       die hiesige Sportlandschaft, die Spieler werden wie Rockstars vergöttert.
       Doch laut Times of India verfolgten mehr als 50 Millionen Inder die Spiele
       der Fußball-WM in Brasilien. Jedes Wochenende werden Partien der
       englischen, spanischen und deutschen Ligen live übertragen. Und auch die
       ISL ist gut gestartet: Bislang strömten im Schnitt 43.000 Fans in die
       Stadien.
       
       Viele hoffen, dass der Fußball in Indien zu früherer Größe zurückfindet:
       1950 qualifizierte sich die Nationalmannschaft für die Weltmeisterschaft in
       Brasilien, die Teilnahme sagte man allerdings ab. Die Reisekosten waren zu
       hoch, zudem spielten die Inder barfuß, was laut Fifa-Statuten verboten war.
       Daran wird es diesmal sicherlich nicht scheitern.
       
       25 Oct 2014
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Michael Radunski
       
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