# taz.de -- Inklusion in Unternehmen: Ungenutzte Fähigkeiten
       
       > Die deutsche Wirtschaft boomt. Doch Menschen mit Behinderung werden kaum
       > eingestellt. Firmen sind dazu verpflichtet, zahlen aber lieber Strafe.
       
 (IMG) Bild: Unternehmen mit mehr als 20 Arbeitsplätzen sind dazu verpflichtet, zu einem Anteil von mindestens 5 Prozent schwerbehinderte Menschen zu beschäftigen
       
       BERLIN taz | Als Alexander Abasov vor mehr als drei Jahren in die
       Werbeagentur „Zitrusblau“ rollte, war Geschäftsführer Martin Keune zunächst
       ratlos. Ob er ein Praktikum machen könne, wollte Abasov von ihm wissen. Der
       Behördengang ergab: Nein, konnte er nicht, weil bei einem Praktikum der
       Staat nicht die Kosten für eine Arbeitsassistenz übernimmt.
       
       Abasov ist Tetraspastiker, nur seine rechte Hand ist beweglich. Deshalb
       sitzt er im Rollstuhl. Stattdessen bot ihm Keune einen Ausbildungsplatz an.
       Der Fahrdienst und die Assistenz, die ihm bei der Arbeit hilft, wurden vom
       Integrationsamt und der Arbeitsagentur bezahlt. „Alexander hat eine
       Motivation und einen Willen, da kann sich kaum jemand messen“, sagt Keune
       heute. Trotzdem konnte er Abasov nicht ohne Probleme unbefristet als
       Grafiker einstellen: Nach der Ausbildung wurden alle Zahlungen eingestellt.
       Der Antragsmarathon ging von Neuem los.
       
       „In Deutschland fehlt kein Sonderförderprogramm für Behinderte, denn es ist
       der Alltag, der nicht funktioniert. Es kann nicht sein, dass Alexander
       seine Arbeitsassistenz zwischendurch aus eigener Tasche finanzieren
       musste“, sagte Keune bei einer Podiumsdiskussion, zu der die
       Behindertenbeauftragte der Bundesregierung, Verena Bentele, am Montag in
       Berlin eingeladen hatte. Unter dem Titel „Fachkräfte mit Behinderung –
       Risiken, Chancen, Gewinn?“ ging es um konkrete Maßnahmen, behinderte
       Menschen besser in den Arbeitsmarkt einzugliedern.
       
       ## Zu oft „ungeeignet“
       
       Diesen Herbst konnten 20.000 Ausbildungsstellen nicht besetzt werden,
       Tendenz steigend. Vier von zehn Unternehmen in Deutschland haben derzeit
       Probleme, geeignete Bewerber zu finden, ergab einer Studie des
       Personaldienstleisters Manpower Group.
       
       Doch zu den „geeigneten“ Menschen gehörten zu selten Menschen mit
       Behinderungen. Obwohl sie im Schnitt besser ausgebildet sind als der Rest
       der Gesellschaft, stieg im Vergleich zum Vorjahr der Anteil derer, die
       keine Arbeit finden.
       
       Dabei sind Unternehmen mit mehr als 20 Arbeitsplätzen dazu verpflichtet, zu
       einem Anteil von mindestens 5 Prozent schwerbehinderte Menschen zu
       beschäftigen. Wer dagegen verstößt, muss pro nicht besetztem Arbeitsplatz
       monatlich bis zu 290 Euro zahlen. 25 Prozent aller Unternehmen nehmen diese
       Strafe aktuell in Kauf.
       
       ## Notwendige Hilfe für Fachkräftemangel
       
       Dabei könnten Menschen mit Behinderungen die gleichen Leistungen bringen,
       setzte man sie genau nach ihren Fähigkeiten ein. Eine Gehörlose kann eine
       gute Handwerkerin sein, ein Blinder ein guter Jurist. „Fakt ist: Wer einmal
       einen Schwerbehinderten einstellt, der stellt auch mehr Schwerbehinderte
       ein“, sagte Raimund Becker von der Agentur für Arbeit.
       
       Achim Dercks vom Deutschen Industrie- und Handelskammertag argumentierte
       pragmatisch: „Quote und Sozialpolitik, damit können Sie Unternehmen nicht
       überzeugen, die brauchen eine schwarze Bilanz.“ Menschen mit Behinderung
       seien einfach eine notwendige Hilfe, um dem Fachkräftemangel zu entgehen.
       
       3 Dec 2014
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Laura Backes
       
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