# taz.de -- Abendunterhaltung im TV: Entfacht das Lagerfeuer!
       
       > Mit „Wetten, dass ..?“ verschwindet die große Abendshow? Dabei ist jetzt
       > die beste Zeit für sie. ARD und ZDF müssen das nur erkennen.
       
 (IMG) Bild: Mit Markus Lanz geht „Wetten, dass..?“.
       
       Warum das Ende von „Wetten, dass ..?“ ein Fehler ist, warum es sich lohnt,
       die große Abendshow zu retten, warum das ZDF seine Prioritäten überdenken
       muss, lässt sich am besten mithilfe eines Mannes erklären, der mit „Wetten,
       dass ..?“ nichts am Hut hat. Einer, der weder die Sendung noch den
       althergebrachten TV-Abend der Deutschen retten will: Reed Hastings.
       
       Der Chef und Gründer von Netflix sitzt im ersten Stock eines Berliner
       Ferienhauses im Wohnzimmer. Er erklärt, wie er das Fernsehen verändern
       will. In den USA hat er das schon getan, in Kanada, in Latein- und
       Südamerika, in Skandinavien auch, in den Niederlanden, seit Herbst ist
       Deutschland an der Reihe.
       
       Netflix ist der größte Videostreamanbieter der Welt. Mehr als 50 Millionen
       Kunden hat die Firma. Sie bietet: Filme, Serien und Dokus auf Abruf auf
       allen Endgeräten, im Abo, monatlich kündbar, alles jederzeit verfügbar. Und
       die Inhalte sollen den Nutzer finden – nicht andersherum.
       
       Es ist damit quasi das Gegenmodell zum ZDF-Angebot: ein nie kündbares Abo
       und ein Programm, das nicht individuell, sondern universell ist. Jeder soll
       mal suchen, und mit etwas Glück findet er vielleicht was. Um 0.45 Uhr bei
       ZDFneo.
       
       ## Antwort auf eine gefühlte Fernsehmisere
       
       Videostreamingdienste wie Netflix, Watchever oder Maxdome sind für immer
       mehr Zuschauer die Antwort auf eine gefühlte Fernsehmisere. Angebot eins
       sticht halt Angebot zwei. Doch was bleibt da noch fürs ZDF? Für die ARD?
       Ganz einfach: „Leute schauen Sport, Leute schauen Shows“, sagt Hastings.
       Alles Dinge, die er nicht machen will, sagt er. Dabei ist das Nichtwollen
       nur die eine Hälfte der Wahrheit.
       
       Es sind alles Dinge, die er nicht machen kann. Und es ist die Antwort
       darauf, warum das Ende von „Wetten, dass ..?“ ein Fehler ist – oder warum
       es zumindest falsch wäre, den Showabend an sich, das gemeinsame Erlebnis am
       Lagerfeuer, fallen zu lassen.
       
       „Wetten, dass ..?“ lief am Samstag zum 215. und letzten Mal seit 1981 im
       ZDF. Die Show, in einer weinseligen Nacht von Frank Elstner erfunden,
       überlebte Wolfgang Hey-Hahaha Lippert und überstand viele Folgen mit dem
       zwischen kleinbürgerlichem Chauvinismus und weltläufiger Geste pendelnden
       Thomas Gottschalk. Eine Sendung, der so viel angetan wurde und die dennoch
       über so lange Zeit dermaßen viel Zuspruch vom Publikum bekommen hat, muss
       ein solides Fundament haben. Doch jetzt wird sie nach dem gescheiterten
       Experiment mit Streber Markus Lanz einfach zu Grabe getragen.
       
       Schaut man allein auf die Zuschauerzahlen, ist das leicht zu begründen, es
       wirkt sogar konsequent: 1985 sahen mehr als 23 Millionen Menschen „Wetten,
       dass ..?“ – allerdings ohne dass es ernsthafte Konkurrenz gegeben hätte.
       1993 musste Lippert gehen, weil nur noch knapp 13 Millionen einschalteten.
       2014 schauten bei Lanz nur noch 5,5 Millionen Zuschauer zu.
       
       ## Noch keine große Konkurrenz
       
       „Nach der Erfahrung der letzten Jahre werde ich ’Wetten, dass ..?‘ leider
       nicht vermissen“, sagt Thomas Schreiber, der bei der ARD für die
       Unterhaltung zuständig ist. „Das sage ich mit großem Bedauern, weil das
       monatelange Abschiednehmen das Genre Unterhaltung nicht gestärkt hat. Mit
       ’Wetten, dass ..?‘ verschwindet ein Symbol der deutschen
       Fernsehunterhaltung. Das Genre aber bleibt, Familienunterhaltung hat eine
       Zukunft.“
       
       Es muss aus Sicht von ARD und ZDF eine Zukunft haben. Zugegeben, noch ist
       das lineare Fernsehen das meistgenutzte Medium in Deutschland. Noch schauen
       hier die Über-Dreijährigen unvorstellbare 221 Minuten fern pro Tag im
       Durchschnitt. Noch sind die Streaminganbieter keine große Konkurrenz. Noch,
       noch, noch.
       
       Doch Reed Hastings warnt schon: „Das Internet verändert unseren Konsum
       massiv.“
       
       Liveevents sind das, was all die Streamingangebote nicht bieten können und
       wollen. Denn die gleichzeitige Verbreitung an Millionen Zuschauer ist teuer
       – und übers Telefonkabel auch noch anfällig. Doch auf Nachsicht brauchen
       die Anbieter nicht zu hoffen: Aussetzer sind bei Liveevents nicht
       tolerabel. Fragen Sie mal bei Sky-Go-Kunden nach, die viele Abende
       verzweifelt und erfolglos versucht haben, Champions League zu gucken.
       
       Netflix-Chef Hastings fürchtet diesen Ärger. ARD, ZDF und Co. brauchen
       davor keine Angst zu haben. Ihre Ausstrahlung via Satellit und Kabel ist
       ziemlich sicher – und die Aufmerksamkeit in den sozialen Netzwerken auch.
       Twitter hat gerade seine Jahresauswertung für Deutschland veröffentlicht.
       Fußball, ein Fernsehliveevent, schlug 2014 alles. Unter den Hashtags mit
       Fernsehbezug lag #Lanz an vierter Stelle. Davor #Tatort, durch Twitter und
       Public-Viewing in der Kneipe mittlerweile auch ein Liveevent, RTLs
       „Dschungelcamp“ (#ibes) – auch live – und der WDR-Livetalk #Domian.
       
       ## Zeit für den Wiederaufbau
       
       „Wetten, dass ..?“ hatte im November dieses Jahres 5,5 Millionen Zuschauer.
       Nur noch, sagen fast alle. Doch in Anbetracht der abgelieferten Leistung
       muss man eigentlich sagen: immerhin. Wiederaufbau wäre jetzt angesagt. Doch
       dafür scheint dem ZDF die Kraft zu fehlen. Oder die Kreativität. Oder
       beides.
       
       Reed Hastings dürfte das freuen. Doch das Fernsehen gibt damit wieder ein
       Stück mehr seines Alleinstellungsmerkmals auf. Krimis und lauwarme
       romantische Komödien bekommt man auch woanders.
       
       14 Dec 2014
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Jürn Kruse
 (DIR) Paul Wrusch
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Unterhaltung
 (DIR) Markus Lanz
 (DIR) ZDF
 (DIR) Wetten, dass... ?
 (DIR) Netflix
 (DIR) Serien-Guide
 (DIR) Öffentlich-Rechtlicher Rundfunk
 (DIR) Bibel
 (DIR) WDR
 (DIR) Show
 (DIR) Wetten, dass... ?
 (DIR) Fernsehen
 (DIR) Wetten, dass... ?
 (DIR) Markus Lanz
 (DIR) Netflix
 (DIR) Netflix
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) TV-Serie „Occupied“ aus Norwegen: Das Richtige tun
       
       „Occupied – Die Besatzung“ imaginiert Norwegen als von den Russen besetztes
       Land. Auf die Idee, die auch noch funktioniert, kann nur Jo Nesbø kommen.
       
 (DIR) WDR-Dokumentation über Domian: Reden im Dunkeln
       
       Die Nacht öffnet Seelen: Nachttalker Domian hört 2016 auf. Schon jetzt
       widmet sein Haussender ihm eine unkritische Doku.
       
 (DIR) Öffentlich-rechtliches Jugend-Internet: Schön, dass wir mal geredet haben
       
       Das Jugendangebot von ARD und ZDF sorgt für Kritik von Privatsendern und
       Zeitungsverbänden. Nun trafen sich alle mit der Politik.
       
 (DIR) WDR-Nacht-Talker Jürgen Domian: „Von Natur aus ein Einzelgänger“
       
       Seit bald 22 Jahren hört Jürgen Domian im WDR Menschen zu. Ein Gespräch
       über Gott, die Vorzüge des Waldes und die Frau aus Hack.
       
 (DIR) Nachttalker Domian hört auf: Abschied in den Morgen
       
       Er hörte zu, wenn andere schon schliefen. Nach 20 Jahren und rund 20.000
       Live-Gesprächen lässt er seine Sendung ruhen.
       
 (DIR) „Zimmer frei“ endet 2016: In Würde altern
       
       Die WDR-Sendung „Zimmer frei“ wird im kommenden Jahr eingestellt. Die
       Moderatoren fühlen sich zu alt, um weiter Kindergeburtstag zu spielen.
       
 (DIR) Letzte Sendung von „Wetten, dass...?“: Kindergeburtstag des Grauens
       
       Selbst zur letzten „Wetten, dass..?“-Sendung schaffte es das ZDF nicht,
       eine bessere Show abzuliefern. Unwürdiger hätte das Ende nicht werden
       können.
       
 (DIR) Der Jahresrückblick „Menschen 2014“: Die Lanz'sche Verkrampftheit
       
       Das ZDF verbreitet mit „Menschen 2014“ ein
       Alles-ist-doch-ganz-okay!-Mantra. Beim Thema Politik wechselt Lanz
       routiniert das Thema.
       
 (DIR) Die Streitfrage: „Ich werde es nicht vermissen“
       
       Nur noch wenige Tage, dann ist „Wetten, dass..?“ Geschichte. Und dann? Das
       ZDF komplett abschaffen, meint Oliver Kalkofe.
       
 (DIR) Die Streitfrage: „Wetten, dass..?“ Und dann?
       
       Bald läuft die letzte Ausgabe von „Wetten, dass..?“ Wird sich danach am
       Samstagabend ein Loch auftun? Oder hat sich die Sendung eh' längst
       überlebt?
       
 (DIR) Zuschauermessung bei Netflix & Co.: Datingbörse für Filmliebhaber
       
       Streamingdienste wissen, was und wie die Kunden fernsehen, und richten ihr
       Angebot danach aus. Ersetzen solche Algorithmen die Quote?
       
 (DIR) Netflix startet in Deutschland: Der Neue am Markt
       
       Am Dienstag startet der US-amerikanische Video-on-Demand-Anbieter in
       Deutschland. Vier Fragen und Antworten zum Auftakt.