# taz.de -- Das unsichtbare Komitee beim CCC: Revolte adé
       
       > Sein „kommender Aufstand" war ein Bestseller. Auf der Konferenz des Chaos
       > Computer Clubs hatte das unsichtbare Komitee einen schlappen Auftritt.
       
 (IMG) Bild: So sieht es aus auf der Konferenz. Doch wo ist der Aufstand?
       
       HAMBURG taz | Man glaubt ja gar nicht, dass das Jüngelchen da vorne in dem
       grauen Kapuzenpullover mit dem süßen französischen Akzent einer von ihnen
       ist. Denn, so ist es leider: Dieser Vortrag hat natürlich alles, was eine
       kleine Mythologisierung braucht. Es geht um einen großen Unbekannten, eine
       große Revolution und irgendwie auch ein großes Comeback. „Das Unsichtbare
       Komitee ist zurück. Mit 'Fuck off Google'“. So lautet die Ankündigung.
       
       Und wer es irgendwie verpasst hat im Jahr 2010 dieses Buch zu lesen, das so
       leidenschaftlich vom „kommenden Aufstand" schwärmte, sollte wissen: Es
       wurde, bis hinein in konservative Kreise, geliebt, gehyped, vergöttert. Ein
       „unsichtbares Komitee“ beschrieb darin in einer revolutionsschwangeren
       Rhetorik vom Kampf in den Metropolen, von Beschleunigung und
       Gegenentschleunigung und was tatsächlich reizvoll war, war der Schwung mit
       dem sich die Flugschrift weglesen ließ.
       
       Wer am Ende angelangt war, konnte glauben, dass die Revolution auch in
       Westeuropa kurz bevor stand und ausgerechnet die Feuilletonisten des
       gehobenen deutschen Bürgertums entdeckten die Schrift als Indiz für eine
       neue Radikalität, eine Theoriearbeit, die die Lehren von Karl Marx mit den
       Analysen von Negri und Hardt, geschwängert um den vermeintlichen Pathos
       einer metropolen, gegenwärtigen Jugendsprache anreicherte. Es war eine
       Klolektüre für Großkapitalisten.
       
       Die staunten morgens beim Stuhlgang, doch wer in den Straßen der Metropolen
       unterwegs war, konnte wissen: Es lag leider nur eine Fehlanalyse vor. Der
       Erfolg dieses Komitees war also, eigentlich, ein Missverständnis. Doch weil
       nun also die Konservativen die Schrift schon entdeckt hatten, befeuerte
       auch die Linke die Debatte um die schöne neue Schrift.
       
       ## Die ersten gehen
       
       Und doch: Es gibt hier in Hamburg beim Hacker-Kongress des Chaos Computer
       Clubs eine große Vorfreude darauf zu sehen wie sich das Komitee schlägt,
       doch die erste Ansage des Sprechers, der heute für das Unsichtbare Komitee
       auftritt lautet: Entschuldigt bitte den Titel der Veranstaltung. Wir
       wollten nur, dass das irgendwo steht.
       
       Es ist ja keine Bedingung und ohnehin nicht zu erwarten, dass alle großen
       Revolutionäre so etwas Banales wie Visualisierungen oder Power-Point-Folien
       mit sich führen, auch wenn sich im letzten Jahrzehnt durchaus erwiesen hat,
       dass die großen Impulse der Gegenwart vor Publikum davon oft profitierten.
       Und man sollte natürlich Menschen nicht nur an ihrer Redegeschwindigkeit,
       an ihrem mangelnden Pathos oder auch an ihrem Vortragsstile messen, doch es
       stimmt: Schon nach zehn Minuten erheben sich die ersten und verlassen den
       Saal, dann kurz darauf auch die nächsten, dann noch mehr.
       
       Da vorne liest einer einen Aufsatz vor, eine Analyse, ein bisschen so wie
       jene, die doch damals da in diesem Buch stand. Es sollte vielleicht ein
       großer Gesellschaftsentwurf werden: Es geht um die Multitude, um „Sets von
       diskursiven und strategischen Taktiken, die Kontrolle zurückzugewinnen", es
       geht um Digitalisierung und den Überwachungsstaat. Es geht darum,
       politische Debatten auszulösen, sagt er, darum, was Sinn macht und was
       nicht und dann sagt der junge Mann natürlich auch, dass Kapitalismus der
       ungestörte Prozess ist, die Welt zu zerstören. Das ist natürlich
       überwiegend korrekt.
       
       Und doch bleibt letztlich nur eine Enttäuschung. Am Ende bekommt der Herr
       Applaus, weil er sagt, dass er nicht an politische Parteien glaubt. Ein
       Mann fragt nochmal nach, ob er wählen wirklich doof findet. Und das
       eigentliche Drama ist dann eine Rückmeldung aus dem Publikum, eine wirklich
       gemeine. Ein Mann fragt ihn, ob er Franzose ist. Der junge Mann in dem
       grauen Pullover sagt ja. Der andere Mann sagt, dann sei sein Englisch doch
       wirklich gut. Es ist gemein und traurig. Das Buch las sich wenigstens
       besser. Aber diese Veranstaltung zeigt: Sie hatten einfach nicht recht.
       
       29 Dec 2014
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Martin Kaul
       
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