# taz.de -- Brandstiftung nicht verfolgt: Richter klagt Staatsanwälte an
       
       > Die Hamburger Staatsanwaltschaft soll nach einer Brandstiftung in St.
       > Georg untätig geblieben zu sein – im März 2015 verjährt der Fall.
       
 (IMG) Bild: Konnten den Brand in der Langen Reihe löschen: 90 Feuerwehrleute.
       
       HAMBURG taz | Der ehemalige Richter am Landgericht Münster, Klaus Kaub, ist
       verbittert – er lässt aber nicht locker: Er sieht in der Passivität der
       Staatsanwalt Hamburg bei einem seiner letzten Fälle einen „scheußlichen
       Justizskandal“.
       
       Kaub, der 15 Jahre lang einer Spezialkammer für Versicherungsrecht
       angehörte, befürchtet, dass ein schweres Verbrechen – eine Brandstiftung
       unter Inkaufnahme von Toten – straffrei bleibt. Denn für ihn sind die Täter
       und der Drahtzieher bekannt.
       
       Aber die Staatsanwaltschaft weigert sich seit Jahren, Anklage zu erheben
       und entzieht den Fall somit einer gerichtlichen Überprüfung mit einer
       Beweisaufnahme durch eine große Strafkammer am Landgericht. „Die
       Brandstiftung verjährt im März 2015. Danach ist sie nicht mehr verfolgbar“,
       mahnt Kaub gegenüber der taz.
       
       Es geht um den Dachstuhlbrand des Wohn und Geschäftshauses Lange Reihe
       57/59 in St. Georg am 1. März 2005. Die Ermittler haben später vier
       Brandherde im Haus ausgemacht – im Dachstuhl und in einer leeren Wohnung im
       ersten Obergeschoss. Damit steht fest, dass das Feuer, das aus dem
       Dachgeschoss zur Mittagszeit schlug, eine vorsätzliche Brandstiftung war.
       Richter a.D. sagt: „Das war eine Auftragsbrandstiftung.“
       
       ## In der Hand von Spekulanten
       
       Das viergeschossigen Gebäude im Bahnhofsviertel St. Georg, das damals
       mitten im Gentrifizierungsprozess steckte, war zu dem Zeitpunkt lange Zeit
       im Besitz der Duisburger Spekulantenfamilie Conle gewesen. Der
       Immobilen-Clan ließ das Doppelgebäude verfallen, was Leerstand zur Folge
       hatte.
       
       Im Januar 2004 kaufte die Geesthachter Immobilienfirma Cantina Bau das
       Areal für 1,8 Millionen Euro, um hier Eigentumswohnungen zu bauen. Der Chef
       der Cantina Bau und Geesthachter SPD-Stadtrat Anton Adler* war dem
       rot-grünen Vorgänger-Senat seit dem Bau des Harbour-Cube am Sandtorkai in
       der Hafencity gut bekannt.
       
       Gleichzeitig pflegte Adler gute Kontakte zu den umstrittenen
       Immobilien-Händlern Burim und Bashkim Osmani. Als Aufsichtsratsmitglied
       bahnte er ihnen Kontakte zur Lauenburger Volksbank an, die den Osmanis dann
       zweifelhafte Kredite gewährte.
       
       Die Bank wäre deswegen später fast bankrott gegangen. 2005 ermittelte die
       Staatsanwaltschaft gegen Adler wegen des Verdachts der Mitgliedschaft in
       einer kriminellen Vereinigung. Er wurde später mehrfach wegen
       Steuerhinterziehungen verurteilt.
       
       ## Die Versicherung zahlte zunächst nicht
       
       Nach dem Brand im März 2005 verkaufte Cantina Bau das Areal für 2,35
       Millionen Euro an die Immobilienfirma Frank Heimbau. Dem neuen Investor
       hatte das Bezirksamt Mitte unter der Regie des umstrittenen Leiters Markus
       Schreiber (SPD), der heute in dem Quartier und auf dem St. Pauli-Kiez
       selbst für eine Immobilienfirma tätig ist, eine Abriss und Baugenehmigung
       für Eigentumswohnungen in Aussicht gestellt, wenn die Fassade zur Straße
       hin städtebaulich erhalten bliebe.
       
       Da es sich bei dem Feuer in der Langen Reihe um Brandstiftung handelte,
       zahlte die Münsteraner Feuerversicherung kein Geld an die Carina Bau. Adler
       verklagte daraufhin die Versicherung vor dem Landgericht Münster auf 1,3
       Millionen Euro Schadenersatz. Und da trat Richter Klaus Kaub auf den Plan,
       der den Fall in Münster verhandelte.
       
       In einem zweijährigen Prozess durchleuchtete der Richter in einer
       Beweisaufnahme, was für ein Zivilgericht nicht alltäglich ist, akribisch
       und penibel mit Zeugen, Indizien und Verlaufsprotokollen das Tatgeschehen
       und war sich zum Schluss sicher, dass Cantina Bau die Brandstiftung in
       Auftrag gegeben und dafür ein Brüderpaar angeheuert hat. Dieses habe engen
       Kontakt zu Adler gehabt, heißt es in dem Landgerichtsurteil vom September
       2008.
       
       ## Zeugen wollen Brandstifter identifiziert haben
       
       Einer der Brüder sei aus einem gegenüberliegenden Penthouse gesehen worden,
       als er vor dem Brand die Dachluken schloss, sagt Kaub. Außerdem waren die
       Brüder beobachtet worden, als sie aus dem Haus beim Brand durch einen
       Hinterausgang stürmten und sich mit den Händen abklatschen, wie Sportler,
       die einen Pokal gewonnen haben.
       
       So spielte bei Kaubs Bewertung die Aussage einer Polizistin, die als erste
       am Brandort war und die verbliebenen Bewohner durch Treten an die Haustüren
       alarmierte, eine besondere Rolle.
       
       Ferner hatte Kaub mitgeschnittene Handy-Gespräche der Verdächtigen mit der
       Feuerwehr, um die entlastenden Angaben der Tatverdächtigen zu widerlegen:
       Die Mitschnitte der Telefonate belegten, dass einer der Brüder in
       unmittelbarer Nähe eines Brandherdes war.
       
       Die Versicherung zahlte nicht, Adler ging vor das Oberlandesgericht Hamm
       und hier kam es zum Vergleich. Die Versicherung zahlte 380.000 Euro an die
       Cantina Bau.
       
       „Wäre es rechtzeitig zum Strafverfahren gekommen, hätte die Versicherung
       einem Vergleich nie zugestimmt“, ist sich Kaub sicher. Doch die
       Staatsanwaltschaft hatte das Verfahren Anfang 2008 endgültig eingestellt
       und die Akten ins Archiv gebracht.
       
       Nach Kaubs Urteil vom 29. September 2008, das in die
       Rechtsprechungsdatenbank Nordrhein-Westfalen eingestellt worden ist, hatte
       Kaub angenommen, dass „sich die Sache von allein regeln und
       selbstverständlich von der Strafjustiz aufgegriffen“ würde. „Aber da habe
       ich mich gründlich geirrt.“
       
       ## Anzeige wegen Strafvereitelung im Amt
       
       Sämtliche Versuche des Ex-Richters, die Hamburger Staatsanwaltschaft zum
       Handeln zu bewegen, indem er gegen die Einstellungsbescheide bei der
       Hanseatischen Generalstaatsanwalt Beschwerde einlegte, scheiterten.
       
       „Es ist meine feste Überzeugung, dass die Strafverfolgungsbehörden nach
       fast sieben jähriger Untätigkeit nicht mehr öffentlich anklagen wollten, um
       nicht ihr Gesicht vor der Öffentlichkeit und der großen Strafkammer zu
       verlieren“, sagt Kaub.
       
       Die Staatsanwälte konnten sich auch sicher sein, dass es keine gerichtlich
       Überprüfung mehr geben würde, da alle drei Instanzen der
       Strafvollstreckungsbehörden – also sie selbst – die Einstellungsverfügung
       nicht abändern würden.
       
       Wenn er auch nur den kleinsten Zweifel gehabt hätte, dass das „von mir
       behauptete Tatgeschehen in relevanten Punkten vor dem Strafgericht nicht zu
       belegen sei oder sich gar anders zugetragen haben könnte, hätte ich die
       Sache nicht mehr verfolgt“, sagte Kaub 2013.
       
       Daher erstattete der Jurist 2013 wegen der Tatenlosigkeit Strafanzeige
       gegen den ermittelnden Staatsanwalt, einen Mitarbeiter des
       Generalstaatsanwaltes sowie gegen die Justizsenatorin Jana Schiedek (SPD)
       wegen Strafvereitelung im Amt.
       
       ## Justizsenatorin Jana Schiedek greift nicht ein
       
       Obwohl er in „beschwörenden persönlichen Schreiben“, wie Kaub sagt, sowohl
       an den Generalstaatsanwalt Lutz von Selle, seinen Stellvertreter Holger
       Lund als auch an die Justizsenatorin Jana Schiedek (SPD) „mit den
       Vorhaltungen eindringlicher und eindeutiger wurde, verkniff man sich auch
       nur das geringste Wort einer Stellungnahme“. Kaub: „Nicht einmal der
       Eingang der Schreiben wurde bestätigt.“
       
       Er könne sich nur schwer damit abfinden, dass dieser Justizskandal bisher
       von den Medien nicht ausreichend verfolgt worden sei, „um endlich einmal zu
       erreichen, dass die Staatsanwaltschaft zu den schweren Vorwürfen gegenüber
       der Öffentlichkeit Stellung nimmt“.
       
       Doch diese winkt weiterhin ab. Es gebe Zweifel an Kaubs Version, denn seine
       „Indizienkette“ sei „nicht lückenlos“, und es gebe von der Anklagebehörde
       eben eine andere Beweiswürdigung. „Die Beschwerden“, sagt Sprecherin Nana
       Frombach am Montag der taz, „haben nicht zur Wiederaufnahme des Verfahrens
       geführt.“
       
       *Name geändert
       
       29 Dec 2014
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Magda Schneider
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Brandstiftung
 (DIR) Justizskandal
 (DIR) Wohnungsbau
       
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