# taz.de -- Vorauseilender Jahresrückblick: So wird’s gewesen sein
       
       > Schokoriegel für alle, aufgeflogene Immobilien-Deals und Edmund Stoiber
       > als Sprecher des Bahnhofs Diebsteich: das taz-Orakel zum Jahr 2015.
       
 (IMG) Bild: Schon 2014 ließ Olaf Scholz auf einer Messe seine Gehirnströme messen. 2015 muss er dann Berater fragen, ob er noch Bürgermeister sei.
       
       Januar 
       
       Die Hamburger legen ihre grau gewordenen Weihnachtsbaumleichen auf dem
       Gehweg, vorzugsweise auf dem Radweg ab. In Eppendorf und Harvestehude
       werden die Bäume direkt aus den Fenstern auf die Wege geworfen. Irgendein
       Arsch wird sie schon abholen.
       
       In der SPD wurde bemerkt, dass nächsten Monat Bürgerschaftswahl ist.
       Nachdem Olaf Scholz den Schock überwunden hat, „ich dachte, das wäre erst
       nächstes Jahr!“, wird in einer Eilaktion die Stadt mit Plakaten vom
       Bürgermeister eingedeckt. Das ist der Startschuss für die Aktionisten der
       Gruppe „Gefahrengebiet“, die sich zur Aufgabe gemacht hat, die Hamburger
       daran zu erinnern, was sie dem lieben Olaf zu verdanken haben: Über Nacht
       lassen sie Scholz auf den Aushängen Klobürsten aus dem Kopf wachsen und
       erweitern die Parteiwerbung durch Zusätze wie: „Scholz – Hamburgs Erste
       WC-Ente“ und „Vorsicht, Gefahren-Olaf!“ Die SPD erstattet Anzeige. Olaf
       Scholz lässt an alle Hamburger Haushalte Schokoriegel verteilen und
       verspricht, im Falle seiner Wiederwahl, die Eröffnung der Elbphilharmonie.
       
       Februar 
       
       Olaf Scholz wird erneut Erster Bürgermeister.
       
       Ärzte, Freunde und Giovanni di Lorenzo bangen um die Gesundheit Helmut
       Schmidts. Am zweiten Montag des Monats hat der Held von 62 und heutige
       Herausgeber von Die Zeit die letzte Stange seiner in einem eigens
       eingerichteten Humidor gehorteten Mentholzigaretten angebrochen. Seit dem
       Verbot des Zusatzstoffes hatte das Umfeld Schmidts vor diesem Tag
       gezittert. Ärzte räumen dem 96-Jährigen nur rund 72 Stunden Überlebenszeit
       ohne sein Suchtmittel ein. „Wir können versuchen, ihn durch Methadon oder
       Crystal-Meth zu substituieren, müssen aber damit rechnen, dass der Körper
       die Fremdstoffe nicht annimmt“, so der Leiter der Suchtabteilung im UKE.
       „In dem Fall müssen wir mit einem baldigen Ausfall der lebensnotwendigen
       Organe rechnen.“ In Anbetracht des Ernstes der Lage, hat der Bürgermeister
       Olaf Scholz seinen Amtskollegen in Shanghai kontaktiert und ihn um eine
       Eilsendung der Mentholstengel gebeten. „Die Chinesen kopieren ja jeden
       Dreck und für irgendwas muss diese Städtepartnerschaft ja mal gut sein!“
       
       Im Zuge eines Sturmes wird das Dach der Elbphilharmonie abgedeckt.
       
       März 
       
       Der ehemalige Verlag, das jetzige „Inhaltehaus“ Gruner + Jahr möchte ein
       neues Drumherum für seine Inhalte und veräußert Gebäude und Grundstück am
       Baumwall. Interessenten sind unter anderem die Mitglieder des „Deutschen
       Pressemuseums Hamburg“, die meinen, in dem ehemaligen Aushängeschild
       Hamburger Verlagstradition endlich ein Gebäude für ihr geplantes Museum
       gefunden zu haben. „Nichts steht mehr für den Glanz und den mutwillig
       herbeigeführten Untergang der guten, alten Print-Tradition, wie dieses
       Gebäude“, lässt sich einer der Initiatoren, der seinen Namen
       überraschenderweise ausgerechnet in einer Zeitung nicht lesen möchte,
       zitieren.
       
       Käufer der Immobilienperle am Hafen wird der ehemalige Besitzer der Roten
       Flora Klausmartin Kretschmer. Der reißt die Bude kurzerhand ab und baut das
       Erlebnistheater, das er bereits mit der „Roten Flora“ vor Augen hatte.
       Eröffnet wird das Haus mit dem ersten Musical von Ildiko von Kürthy,
       „Flatrate mit Uwe Seeler“. In dem Stück, für das Peter Maffay die Musik
       schreibt, wird Ole von Beust einen Gastauftritt als „Aale-Dieter“ haben.
       Auch Judith Rakers und Sylvie Meis stehen für kleine Rollen bereits fest.
       
       April 
       
       Durch unablässige, hartnäckige und unnachgiebige Recherche der taz.hamburg
       wird bekannt, dass der Zuschlag an Kretschmer für die Gruner + Jahr
       Immobilie Teil eines Deals mit dem Hamburger Senat ist. Olaf Scholz hatte
       dem Makler die Möglichkeit des Erwerbs zugesagt, wenn dieser die Rote Flora
       samt Gelände für weniger als eine Million Euro an die Stadt zurückgeben
       würde.
       
       Die Grünen sprechen von „einem Skandal, der mit uns nicht machbar gewesen
       wäre“, der beste Mann der FDP (Formerly Demokratic Party), Katja Suding,
       spricht von einem „neoproletarischen Deal, der mit uns nicht möglich
       gewesen wäre“ und der Vorstand des „Deutschen Pressemuseums Hamburg“ nennt
       die Vorkommnisse „den Beweis, dass Hamburg weiterhin Print braucht“.
       
       Der HSV meldet Insolvenz an.
       
       Mai 
       
       Damit der Hafengeburtstag neben dem Schlepperballett nicht nur
       Kommerzielles bietet, bekommt die Gruppe „Lampedusa in Hamburg“ die
       Möglichkeit, sich zu präsentieren. Alle Stunde bittet sie, unterstützt von
       Anwohnern, am Auswanderer-Museum zu Tanzvorführungen. Gezeigt werden
       traditionelle Tänze im Bastrock, pantomimische Darstellungen der Löwenjagd
       und Beschneidungsrituale. Auch dieses Jahr hat die ARD anlässlich des
       Rahmenprogramms des Eurovision Song Contests eine Bühne auf der Reeperbahn
       aufbauen lassen. Und auch dieses Mal soll Helene Fischer singen. Doch bevor
       der kleine Spatz aus dem sibirischen Knobboschsibritzk die ersten Töne
       anstimmen kann, stürmt der ehemaliger Liebhaber Florian Silbereisens, der
       Gardrobier Felix K., die Bühne und erschlägt den Star mit einem Bügeleisen.
       
       Juni und Juli 
       
       Der in Zusammenarbeit mit der Stadtentwicklungsbehörde und der
       Stadtteilinitiative „Pro Schanze 2014“ entwickelte Denkkurs für Linke
       „Scheibe einschmeißen – wer ist der Arsch?“ geht in die nächste Runde. In
       einem Lesekurs im „Cento ¡La Proxima Revolution!“ lernen Autonome die
       Buchstaben A, D, I und S kennen und sind zum ersten Mal in der Lage, bei
       Adidas im Schulterblatt einen lohnenswerten Schaden anzurichten.
       
       September 
       
       Die Bahn stellt die neuesten Pläne für die Gestaltung des Bahnhofs am
       Diebsteich der Öffentlichkeit vor. Bahnchef Grube verspricht ein
       „Reiseerlebnis der neuen Dimension“, das „schon beim Kofferpacken beginnt“.
       So würden „Signature-Boutiquen“ von Firmen wie Boss, Escada und Brioni mit
       dem Gepäckhersteller Louis Vuitton kooperieren und dem Reisenden das Gepäck
       zusammenstellen und – ergänzt durch ein Lunchpaket „Poletto-Rail“ aus dem
       Flagship Restaurant „Poletto Peron“ der Haspa-Werbeköchin Cornelia Poletto
       – in den Zug bringen. Zum Sprecher des neuen Prestigeprojektes wurde Edmund
       Stoiber ernannt, der das Altonaer Vorhaben vorstellte: „Wenn einer eine
       Reise machen möchte, einer aus Hamburg, in Altona. Also mit der Bahn. Also,
       wenn ein Altonaer mit der Bahn in Hamburg fahren, also reisen möchte, also
       aus Hamburg heraus, dann kann er das an dem neuen Bahnhof direkt in Altona
       tun. Er muss gar nicht erst nach Lübeck oder Stuttgart, er kann dann direkt
       in Altona in den Zug steigen und das kann er tun, ohne dass er sich um was
       gekümmert hat, außer dass er seine Wünsche, die er in Altona gedacht hat,
       über die Datenautobahn zum neuen Bahnhof schickt. Und wenn er dann
       einsteigt, im neuen Altonaer Bahnhof in Altona, in den Zug, dann fängt hier
       für ihn nicht nur eine Reise in einer neuen Dimension an, sondern auch in
       eine neue Dimension. Denn er braucht, da, wo er ist, bevor er in Altona am
       Bahnhof ist, gar nicht packen. Er schickt nur einfach das, was er in Altona
       im Zug haben möchte, wenn er aus Hamburg, also aus Altona, rausfährt, über
       die Datenautobahn, also das Internetz, in den Shop, in dem man ihm seinen
       Koffer packen soll und die machen das dann für ihn. Da fängt seine Reise
       aus Altona heraus schon vor dem Bahnhof in Altona an!“
       
       Oktober 
       
       Hamburg wird in einer Internetumfrage zur langweiligsten Stadt Deutschlands
       gewählt.
       
       November 
       
       Schneeregen. Graupelschauer. Matsch. Um es schön zu haben, werden die
       Musical-Gutscheine vom letzten Weihnachten eingelöst und das Gejaule mit
       ordentlich Rotkäppchen runtergespült. So ein Abend macht zwar keine Lust
       auf Sex, geht aber schon mal in die Richtung, zu zweit „mal wieder was
       Schönes“ erlebt zu haben.
       
       Dezember 
       
       Ein kleines Sportflugzeug landet auf der gefrorenen Alster. Am Steuer:
       Mathias Rust. An Bord: Hans-Christian Ströbele und Edward Snowden. Auf der
       Alster, vor dem US-Generalkonsulat halten Sympathisanten
       „Ätschi-Bätsch!“-Schilder hoch.
       
       Olaf Scholz fragt seinen Berater, ob er eigentlich immer noch Hamburgs
       Erster Bürgermeister sei.
       
       31 Dec 2014
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Silke Burmester
       
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 (DIR) Kammer plant die Stadtentwicklung: Ein Bahnhofsviertel am Diebsteich
       
       Die Handelskammer hat Ideen, wie sich das Beste aus der bis 2023 geplanten
       Verlegung des Altonaer Bahnhofs machen ließe. Dabei geben die Kritiker der
       Verlegung noch nicht auf.
       
 (DIR) Neues Zentrum für Hamburgs Westen: Ein Bahnhof minderer Güte
       
       Der Umzug des Altonaer Bahnhofs ist zwar schnell und billig für die Bahn,
       verspielt aber eine Jahrhundertchance, meint Mobilitätsexperte Ilgmann.
       
 (DIR) Vorauseilender Jahresrückblick: So wird’s gewesen sein
       
       Die Elbvertiefung wird beschlossen, die Rinne nach Helmut Schmidt benannt,
       es gibt Mückenplage und Eispreisbremse: das taz-Orakel zum Jahr 2016.
       
 (DIR) Kolumne Die Kriegsreporterin: Trügerische Sicherheit am Stadtrand
       
       Online-Chefs, Mohammed-Karikaturen und mangelnde Solidarität. Da ist es
       wichtig, dass man seinen Humor nicht verliert.