# taz.de -- Film über Jugend des Regisseurs: Praunheim begins
       
       > In Berlin präsentierte Rosa von Praunheim seinen neuesten Film „Praunheim
       > Memories“ mit vielen Wegbegleitern seiner Geschichte.
       
 (IMG) Bild: Szene aus „Praunheim Memories“.
       
       Die Volksbühne in Berlin ist ziemlich voll an diesem Sonntagabend. Der neue
       Film von Rosa von Praunheim, „Praunheim Memories“, hat Premiere. Es ist
       wohl sein 41. Film, wenn ich richtig gezählt habe. Dass er 2012 unter dem
       Titel „Rosas Welt“ 70 Filme gedreht hat, wie es in Wikipedia heißt, kann
       ich mir nicht recht vorstellen. Erstaunlich produktiv ist der berühmte
       schwule Filmemacher auf jeden Fall und unterrichtete ja zudem bis 2006 an
       der Filmhochschule in Babelsberg.
       
       In seinem silbern glitzernden Jackett wirkt er ein bisschen wie ein
       Zirkusdirektor und begrüßt alle Leute. Die meisten sind eher über 50; ein
       paar jüngere sind auch dabei. Und mittendrin Protagonisten des Films,
       Weggefährten wie Elfie Mikesch oder eine Frau, die mit einem Hut herumgeht,
       in dem Zettel mit kurzen Texten von Rosa drin sind. Man soll einen Zettel
       ziehen und ihn dann laut vorlesen: „Morgen ist ein schöner Tag“ oder „Nimm
       dich selbst in den Arm und küss dich auf deine schönste Stelle“ nebst
       Autogramm mit vielen Grüßen. Manchmal erwischen Leute auch Texte, die sie
       dann lieber doch nicht vorlesen wollen.
       
       Wir begrüßen uns, weil wir uns schon seit dreißig Jahren kennen, und
       überlegen, was wohl aus der „Nachtigall von Ramersdorf“ geworden ist, dem
       fantastischen Hauptdarsteller aus „Horror Vacui“.
       
       Dann stellt er mir Axel Ranisch vor, einen weiß gekleideten, sympathisch
       moppeligen Mann, der bei Praunheim studiert hatte und mit seinem Film „Ich
       fühl mich Disco“ (2013) großen Erfolg hatte.
       
       ## Ein Herz für Omas
       
       Ranischs 93-jährige Oma spielt in dem Film eine Hauptrolle. Er fragt:
       
       „Lebt deine Oma noch?“
       
       „Nö, die ist schon 30 Jahre tot.“
       
       „Mochtest du sie?“
       
       „Nicht unbedingt.“
       
       „Bist du heterosexuell?“
       
       „Ja.“
       
       „Ach so.“
       
       Die meisten Schwulen fänden Omas nämlich super, sagt Rosa.
       
       Das Vorprogramm ist ziemlich lang. Axel Ranisch steht als Moderator auf der
       Bühne und erzählt, wie er von Rosa immer mit den Worten „Das ist mein
       Lieblingsstudent Axel. Er hatte noch nie Sex“ vorgestellt wurde. Eine Frau,
       „Michelle“, singt a cappela „Eins und zwei“ von Hildegard Knef,
       Schauspieler der Theatergruppe „O-Ton-Piraten“ treten auf und Ichgola
       Androgyn, der das Friedhofscafé Finovo auf dem Alten Matthäusfriedhof
       betreibt.
       
       ## Reiches Vorprogramm
       
       Axel Ranisch fragt in den Saal, wer mit Rosa schon geschlafen habe, aber
       niemand meldet sich. Joaquín La Habana singt mit großer Geste in
       regenbogenfarbenem Hemd seine queere Hymne aus dem berühmten Praunheimfilm
       „Stadt der verlorenen Seelen“. Als man gerade denkt, das sei ja doch ein
       bisschen viel Vorprogramm, beginnt der Film.
       
       Eine Reise in die Vergangenheit mit vielen Begegnungen. Mit zwölf war Rosa,
       als er noch Holger Mischwitzky hieß, mit seinen Adoptiveltern nach
       Frankfurt-Praunheim gezogen. Die Jugendjahre prägten. So nannte er sich
       später „von Praunheim“ und „Rosa“ nach den Winkeln, die Homosexuelle in den
       KZs tragen mussten. Er besucht seine alte Wohnung. Die Lehrerin, die nun
       hier wohnt, sagt, sie hätte es nie geschafft, hier wegzukommen.
       
       „In der Einsamkeit von Praunheim träumte ich, ein großer Künstler zu
       werden“, sagt der Filmemacher und rezitiert Gedichte, die er in seiner
       Jugend schrieb. Er schrieb auch Theaterstücke, malte wild und verließ das
       Gymnasium vor der Mittleren Reife. Auf einem Bild sieht er aus wie Jim
       Morrison. Teils läuft der Filmemacher durch seinen Film und besucht Leute
       von früher; den Deutschlehrer Hans Nickel, der ihn damals förderte und auch
       noch ein Aufsatzheft des jungen Praunheim besitzt. Den Filmregisseur Cyril
       Tuschi, mit deren längst verstorbenen Oma, Nora Gräfin Stollberg zu
       Stollberg, er eng befreundet war.
       
       ## Rosa vor Studenten
       
       Ihr jüdischer Vater war von den Nazis umgebracht worden; sie hatte ihm von
       Auschwitz erzählt. Die Frau seines engen Jugendfreundes Marek, der sehr gut
       malte und auch schon tot ist. Galerien. Kunsthochschulen, wo Rosa vor
       Studenten spricht.
       
       Vor dem Hochhaus, in dem sein Film „24. Stock“ spielte, unterhält er sich
       mit smarten migrantischen Problemjugendlichen, die sagen: „Seitdem Sie hier
       weg sind, ist hier schon viel aus dem Ruder gelaufen.“ Teils läuft in
       kurzen Hosen ein jugendlicher Rosa-Impersonator durchs Bild und über
       Friedhöfe.
       
       ## Erinnerungen eines Kleindarstellers
       
       Der Film ist voller Leute, Erinnerungen, Bildern, Zeitgeschichte – die
       Schwulenbewegung, 68 … – und endet genau in dem Moment, als man denkt, dass
       es nun doch vielleicht zu viel wird.
       
       Als guter Gastgeber läuft der 72-jährige Filmemacher noch durch seine
       Premierenparty und spricht mit jedem. Ich denke an den Film „Horror Vacui“,
       bei dem ich als Kleindarsteller mitgemacht hatte, gebe Joaquín La Haban die
       Hand, den ich von den Dreharbeiten kenne, und erzähle noch einmal von dem
       einzigen Satz, den ich in dem Film hatte sprechen müssen: „Ich bin so
       schüchtern.“
       
       6 Jan 2015
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Detlef Kuhlbrodt
       
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