# taz.de -- Nachruf Regisseur Francesco Rosi: Die dunklen Seiten des Booms
       
       > Kühl und nüchtern sezierte er die Widersprüche Italiens und wie ein
       > Reporter recherchierte er für seine Filme. Der Regisseur Francesco Rosi
       > ist tot.
       
 (IMG) Bild: Im Februar 2008 erhielt Francesco Rosi für sein Lebenswerk den Goldenen Ehrenbären der Berlinale.
       
       Der letzte große Regisseur aus den goldenen Zeiten des italienischen
       Nachkriegskinos, Francesco Rosi, starb am Samstag im Alter in 92 Jahren.
       „Eine seiner besten Stimmen“ verliere Italien, erklärte umgehend
       Staatspräsident Giorgio Napolitano, der Rosi seit den gemeinsamen
       Gymnasialzeiten in Neapel freundschaftlich verbunden war.
       
       „Wer erschoss Salvatore Giuliano?“, „Die Hände über der Stadt“, „Der Fall
       Mattei“ oder „Christus kam nur bis Eboli“ sind nur einige der Werke, die
       ihm Weltruhm eintrugen. Nicht als Neorealist wollte Rosi sich verstanden
       wissen, durchaus aber als „Sohn des Neorealismus“.
       
       Er, der als Regieassistent von Luchino Visconti das Handwerk gelernt hatte,
       fand in der Tat seine eigene Sprache, um die dunklen Seiten des boomenden
       Nachkriegsitalien, die Megaspekulationen der Immobilienhaie, die in jenen
       Jahren die Großstadtperipherien verwüsteten, die endemische Korruption, die
       Verquickungen auch der Politik mit der Camorra und der Cosa Nostra in Szene
       zu setzen.
       
       Rosi ging das manchmal melodramatische Pathos der Neorealisten völlig ab;
       er sezierte kühl und nüchtern die Widersprüche Italiens, führte seine
       Schurken gleichsam reportagehaft vor. Als „politisch engagierter“
       Regisseur, gar als „Aktivist“ hinter der Kamera mochte er ganz und gar
       nicht eingestuft werden, und er glaubte auch nicht, dass das Kino die
       Gesellschaft verändern könne. Rosi war da bescheidener: Ihm reichte es,
       wenn seine Filme Einsicht schufen.
       
       ## Der Regisseur als Ermittler
       
       Und das taten sie. Bisweilen jahrelang recherchierte Rosi seine Sujets,
       leistete regelrechte Ermittlungsarbeit. Zum Beispiel der Film „Der Fall
       Mattei“. 1971 gedreht, erzählt er die Geschichte Enrico Matteis, des neun
       Jahre zuvor ermordeten Chefs des staatlichen italienischen Erdölkonzerns
       ENI.
       
       Für die Polizei blieb der Fall ungeklärt. Rosi wiederum will die Zuschauer
       nicht mit einer letztgültigen These überraschen – doch er rekonstruiert in
       dem Film die vielen Indizien, die es hoch wahrscheinlich erscheinen lassen,
       dass Mattei einer Verschwörung der großen Erdölkonzerne aus den USA und
       Großbritannien, der italienischen Geheimdienste und der Mafia zum Opfer
       fiel.
       
       11 Jan 2015
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Michael Braun
       
       ## TAGS
       
 (DIR) italienisches Kino
       
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