# taz.de -- Terrorismus im französischen Fußball: Das Spiel ist aus
       
       > Die Attentäter trafen sich beim Kicken. Indizien legen nahe, dass bereits
       > während der WM 1998 ein gigantischer Anschlag geplant war.
       
 (IMG) Bild: 1998 Brasilien gegen die Niederlande – im Hintergrund wurde ein Anschlag verhindert
       
       Von einem merkwürdigen Zusammenhang zwischen Fußball auf der einen Seite
       und dem Terror gegen die Redaktion von Charlie Hebdo sowie gegen die Kunden
       eines jüdischen Supermarktes in Paris berichten englische und französische
       Medien: Im April 2010 habe sich der mutmaßliche Charlie Hebdo-Mörder Cherif
       Kouachi mit drei als Drahtzieher islamistischen Terrors geltenden Männern
       im Département Cantal in Südfrankreich getroffen – zu einem Fußballspiel.
       Le Monde hat Fotos von diesem Kick veröffentlicht.
       
       Einer der munteren Fußballer soll Farid Melouk gewesen sein, Mitglied der
       aus Algerien stammenden „Groupe Islamique Armé“ (GIA), die zum Netzwerk
       al-Qaida gezählt wird. Dass das Treffen ein Fußballspiel war, verwundert
       nicht so sehr, schaut man sich die Terrorgeschichte der GIA an.
       
       Etliche Indizien sprechen dafür, dass die islamistischen Terroristen der
       GIA bereits während der Fußball-Weltmeisterschaft in Frankreich beim
       Vorrundenspiel zwischen England und Tunesien am 15. Juni in Marseille einen
       gigantischen Anschlag geplant hatten. Wochen vorher gelang es dem
       französischen Geheimdienst, die Gruppe auszuheben. Die Öffentlichkeit wurde
       nur vage unterrichtet. Erst nach der Verhaftung zeigte sich, welches
       Inferno die Terroristen offenbar geplant hatten.
       
       Die fünf jungen Männer, die übrigens allesamt Fans des Erstligisten
       Olympique Marseille waren, der seine Heimspiele im Stade Velodrome
       austrägt, wollten mit gestohlenen Uniformen und gefälschten
       Akkreditierungen als Ordner in den Innenraum des Stadions eindringen, ein
       Selbstmordattentäter sollte sich gemeinsam mit dem englischen Torwart David
       Seaman in die Luft sprengen.
       
       ## Sie planten ein Inferno
       
       Ein weiterer Attentäter sollte eine Bombe auf die englische Bank werfen, wo
       neben dem Trainer Glenn Hoddle auch David Beckham und Michael Owen saßen.
       Eine dritte Bombe sollte möglichst viele englische Fans in der Kurve hinter
       einem der Tore töten und verletzen. Sodann wollte ein Terrorist den sich in
       der Nähe des Anstoßpunktes aufhaltenden Starstürmer Alan Shearer
       erschießen. All dies sollte im Abstand von Sekunden geschehen.
       
       Und es war nicht alles. Andere Mitglieder der GIA waren fest entschlossen,
       zeitgleich das Pariser Hotel, in dem die Nationalmannschaft der USA
       untergebracht war, zu stürmen. Das US-Team, das am selben Tag, abends um 21
       Uhr, sein erstes Spiel gegen Deutschland austragen sollte, saß nachmittags
       zusammen im Hotel, um gemeinsam das England-Match zu schauen. In diesen
       Raum wollten die Islamisten stürmen und die Amerikaner erschießen. Die
       letzte Aktion, die drei Mitglieder der GIA planten, war, ein
       Passagierflugzeug zu entführen und es in einen Atomreaktor krachen zu
       lassen.
       
       Belege für das schreckliche Szenario hat im Jahr 2002 der englische
       Journalist Adam Robinson in seinem Buch „Terror on the Pitch“ vorgelegt. In
       Deutschland berichtete 2006 Jürg Altwegg, Redakteur der Frankfurter
       Allgemeinen, in seinem Buch „Ein Tor, in Gottes Namen“ (2006) darüber wie
       auch das Fußballmagazin Rund. Robinson und die anderen legten unter anderem
       Briefe und weitere Papiere vor, die bei der ausgehobenen Terrorvereinigung
       GIA gefunden wurden. Ablaufpläne waren ebenso dabei wie Skizzen und Pläne
       des Stade Velodrome, gefälschte WM-Tickets, Akkreditierungen und Fotos des
       englischen und US-amerikanischen Teams.
       
       ## Westlich-liberale Veranstaltung
       
       Robinsons Buch fand erstaunlicherweise fast nur in England größere
       Aufmerksamkeit, und dort stieß es auf Skepsis. Auch ein Jahr nach dem
       Anschlag auf das World Trade Center in New York konnte man sich nicht
       vorstellen, dass Nine-Eleven eigentlich für den 15. Juni in Marseille
       geplant gewesen war.
       
       Später wurden weitere Beweise vorgelegt. Etwa, dass Scheich Ahmed Zaoui,
       ein führendes Al-Qaida-Mitglied, berichtete, dass Osama bin Laden – der,
       als er Mitte der neunziger Jahre in London lebte, Fan des Arsenal FC war
       und oft ins Highbury-Stadion ging – persönlich die zu tötenden Spieler
       ausgewählt habe. Nicht nur Seaman, Shearer und Hoddle nannte er den
       Terroristen, sondern auch zwei noch junge Spieler, die „sehr bekannt werden
       könnten“: David Beckham und Michael Owen.
       
       Bei späteren sportlichen Großereignissen, etwa der
       Fußball-Weltmeisterschaft 2002 in Japan und Südkorea und bei den
       Olympischen Sommerspielen in London 2012, wurden ebenfalls – teils im
       Vorfeld, teils danach – Anschlagsplanungen bekannt, die im Netzwerk von
       al-Qaida verortet werden. Als Grund gilt, dass Fußball – auch wenn er von
       Islamisten mit einer Art Hassliebe verfolgt wird – seinem Wesen nach als
       eine westlich-liberale Veranstaltung angesehen wird: Unter denselben
       Bedingungen treten Sportler gleichberechtigt an.
       
       12 Jan 2015
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Martin Krauss
       
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