# taz.de -- Karikaturisten in Ägypten: Wenn Bärtige zeichnen schwierig ist
       
       > Islamisten, Muslimbrüder, Generalsanhänger – sie alle bedrohen die
       > Karikaturisten Anwar und Makhlouf in Kairo. Über das Zeichnen zwischen
       > Tabus.
       
 (IMG) Bild: Die Gesellschaft abholen, wo sie steht: Straßenkarikatur in Kairo (nicht von Anwar und Makhlouf).
       
       KAIRO taz | In dem Büro im Zentrum Kairo sieht es nach echter Arbeit aus.
       Stapel von Zeitungen und Papieren haben sich auf den Schreibtischen fast
       bis zum bevorstehenden Kollaps aufgetürmt. Irgendwo dahinter sind zwei der
       prominentesten Karikaturisten Ägyptens kaum mehr auszumachen. Ahmad
       Makhlouf und Muhammad Anwar sind gerade dabei, sich neue Entwürfe rund um
       die Anschläge auf Charlie Hebdo auszudenken. Ein paar haben sie schon
       veröffentlicht.
       
       Unter dem Schild Charlie Hebdo [1][hat Anwar einen Karikaturisten
       gezeichnet], der einem militanten Islamisten, der mit einer Waffe auf ihn
       zielt ein Lächeln auf die Maske malt. Überschrieben ist das Ganze mit dem
       Titel: für eine freie und unabhängige Satire. [2][In Makhloufs Karikatur]
       hält ein Zeichner einen Stift einem Terroristen entgegen, dessen Gewehr
       daraufhin eine Ladehemmung hat.
       
       Für die beiden Karikaturisten war der Mord an ihren französischen Kollegen
       in Paris ein Schock. Aber sie wollen sich nicht abschrecken lassen, weder
       von militant extremistischen Gruppen noch von repressiven arabischen
       Regimen, sagen sie. Auf einem ihrer Bildschirme im Büro haben sie die Fotos
       ihrer vier ermordeten Zeichnerkollegen als Bildschirmschoner eingerichtet.
       
       „Die waren für mich immer ein großes Vorbild. Jede Woche habe ich im
       Internet nachgesehen, was sie Neues gezeichnet haben“, erzählt Anwar. „Sie
       haben sich einfach nicht um die Konsequenzen ihrer Zeichnungen geschert“,
       fügt er hinzu. Er konnte es nicht fassen, als er von den Nachrichten aus
       Paris hörte. Sein zweiter Gedanke war: Das könnte auch ihnen hier in Kairo
       passieren. „Wir sind auch oft beschimpft und bedroht worden, wenngleich
       bisher nicht mit dem Tod“, erzählt Anwar. Je nach politischer Couleur – ob
       sich nun Islamisten oder Nationalisten und Anhänger der Militärregierung
       über ihre Arbeit beschweren – werden die Karikaturisten zu Ungläubigen oder
       Vaterlandsverrätern abgestempelt.
       
       ## „Die Decke langsam höher ziehen“
       
       Beide legen Wert darauf, dass ihnen auch so manche der
       Charlie-Hebdo-Karikaturen, die den Islam als Religion verunglimpft haben,
       nicht gefallen haben. Aber das sei eben die Freiheit des Ausdrucks, sagen
       sie. Sie unterscheiden in ihrer Arbeit zwischen der Religion, die als
       Angriffsfläche tabu ist, und den Islamisten. „Ich bin Zeichner, Ägypter und
       Muslim. Ich zeichne gegen den Extremismus und gegen Terror. Aber ich greife
       nicht die Religion als solches ohne Grund an, sondern nur extremistische
       Gruppen, die unsere Religion in gefährlicher Weise interpretieren und die
       unsere Gesellschaft in eine gefährliche Ecke drängen wollen“, meint
       Makhlouf dazu.
       
       Die Zeichner argumentieren beide, dass sie die Gesellschaft dort abholen
       müssen, wo sie steht. Ein Karikaturist arbeite nicht in einem Vakuum.
       „Unsere Kunst hängt nicht in elitären Galerien, sondern wird in einer
       Millionenauflage gedruckt. Sie ist eng mit der Straße verbunden“,
       beschreibt Anwar. „Ein guter Karikaturist muss der Straße aber auch immer
       einen kleinen Schritt voraus sein“, fasst er sein Konzept zusammen. „Was
       nützt es, eine Karikatur zu zeichnen, die ich toll finde und die
       provoziert, wenn sie nicht akzeptiert wird. Ich muss die Decke langsam
       höher ziehen und die Menschen an Satire gewöhnen“, erklärt Makhlouf seinen
       Ansatz.
       
       Die roten Linien hätten sich über die Jahre verschoben, aber drehen sich
       immer um Politik, Religion und Sex, wie Anwar schildert. Früher sei es
       unmöglich gewesen, Mubarak und seine Söhne zu zeichnen. Aber auch das sei
       am Ende der Amtszeit Mubaraks aufgeweicht worden. Mit der Revolution gab es
       kurze Zeit völlige Freiheit. Dann, mit der Amtszeit des Muslimbruders
       Mursi, war es schwierig, Bärtige zu zeichnen. Heute werden sie angegriffen,
       wenn sie sich kritisch über den ehemaligen Militärchef und heutigen
       Präsidenten Abdel Fattah al-Sisi äußern. Dann hagele es Protest von dessen
       Anhängern, die den beiden sogar vorwerfen, Anhänger der Muslimbruderschaft
       zu sein. Ein übliches Mittel in Ägypten, den politischen Gegner
       einzuschüchtern.
       
       ## Stift statt Gewehr
       
       Direkte politische Zensur gebe es dagegen kaum. „Jeder Chefredakteur weiß:
       Wenn die Karikatur nicht in der Zeitung erscheint, dann taucht sie irgendwo
       im Internet auf“, grinst Anwar. Es sei also vor allem der gesellschaftliche
       Druck, der sie einschränkt. „Wenn du in deiner Gesellschaft akzeptiert
       bist, dann kann dich keine Regierung und kein Terrorist als Zeichner
       aufhalten“, fasst Makhlouf zusammen.
       
       Anders als ihre Kollegen in Europa müssen arabische Karikaturisten
       eingezwängt zwischen einer konservativen religiösen Gesellschaft und einem
       meist autokratischen Regime ihren Raum zum Arbeiten finden. „Wir müssen
       stets zwischen den gesellschaftlichen und politischen Fesseln in der
       arabischen Welt lavieren, aber genau das macht uns kreativer“, ist Makhlouf
       überzeugt und beschreibt das mit einer Metapher. „Das ist, als wenn ein
       Soldat nicht in einer Kaserne, sondern gleich in einem Krieg sein Handwerk
       lernt. Da wird er schneller zu einem guten Kämpfer.“
       
       Vielleicht ist das auch der Grund, warum Mahklouf sich in einer seiner
       letzten Karikaturen im Zusammenhang mit den Mord an seinen Kollegen in
       Paris selbst gezeichnet hat. Statt einem Gewehr hat er einen Stift
       geschultert.
       
       24 Jan 2015
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] http://www.thetimes.co.uk/tto/multimedia/archive/00833/B60wXQtCMAECz3i_833426c.jpg
 (DIR) [2] http://english.ahram.org.eg/Media/News/2015/1/8/2015-635563274554900037-490.jpg
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Karim El-Gawhary
       
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