# taz.de -- Parlamentswahl in Griechenland: Hauptsache anders
       
       > Vielen Menschen gilt das Linksbündnis Syriza als letzte Hoffnung. Den
       > anderen als Gefahr. Unterwegs auf den Straßen von Athen.
       
 (IMG) Bild: Wohin bewegt sich Griechenland? Ein Mann vor einem Plakat des Linksbündnisses Syriza geht nach links.
       
       ATHEN taz | Wahlwerbung der Syriza flackert über den Bildschirm eines Cafés
       im Zentrum Athens. Dunkle Bilder von Obdachlosen, das ernste Gesicht eines
       alten Mannes. Dann ertönt die Sprecherstimme: „Fünf Jahre der Angst und
       Katastrophe haben zu nichts geführt. Es reicht. Jetzt ist es Zeit für eine
       Veränderung.“ Die Bilder im Clip werden freundlicher, Musik. Dann folgt der
       Schriftzug: „Würde, Gerechtigkeit, Demokratie – die Hoffnung kommt.“ Das
       Programm des Linkenchef Alexis Tsipras zieht, denn er verspricht, sich
       gegen die harten Sparauflagen der Troika aufzulehnen und das Land wieder zu
       einem Sozialstaat werden zu lassen.
       
       Stamatis Stefanakos, 43, wählt Syriza genau aus diesem Grund. „Würde!“,
       ruft er, rückt seinen Stuhl zurecht und rührt langsam in seinem Kaffee.
       Seit Jahren ist er arbeitslos. Versichert ist er schon lange nicht mehr. Er
       wählt Syriza, seine letzte Hoffnung, um die aktuelle Regierungspartei Nea
       Dimokratia (ND) abzuwählen. „Denn die regieren nicht für das Volk, sondern
       für das Geld“, sagt Stefanakos. Ob Tsipras seine vielen Versprechungen
       halten kann, sei aber abzuwarten.
       
       Stefanakos, der Informatiker ist, hält sich heute mit kleinen Jobs über
       Wasser. Das reicht gerade mal so zum Überleben. Wie er genau lebt, möchte
       er nicht ausführen. „Das ist eine Sache der Würde“, sagt er. Viele seien
       durch die Sparauflagen mittlerweile völlig verarmt.
       
       „Die ständige Angst, was morgen wird – das zermürbt einen.“ Vor zwei Jahren
       habe er sich scheiden lassen. „Natürlich kann man das nicht allein auf die
       Wirtschaftskrise schieben“, sagt er und lacht bitter. Stefanakos beobachtet
       aber auch in seinem Freundeskreis, dass es immer mehr Singles gibt und
       Paare keine Kinder mehr bekommen. „Wie auch, wenn es nicht mal für einen
       selbst reicht?“, fragt er, trinkt den letzten Schluck Kaffee und
       verabschiedet sich.
       
       Ein paar Straßen weiter kommt Antonis Diavatidis gerade aus einem
       Bewerbungsgespräch. Eigentlich ist der 68-Jährige schon im Ruhestand.
       „Meine Rente wurde mir unter der Regierung von Samaras (ND) um fast 60
       Prozent gekürzt“, erzählt er, „Gleichzeitig haben sie die Steuern für mein
       Haus, das noch nicht abbezahlt ist, erhöht.“ Nun sucht Diavatidis wieder
       Arbeit, um seinen Kindern später vielleicht doch noch das Haus vererben zu
       können. „Ich und meine Familie gehörten immer zur oberen Mittelschicht“,
       sagt der frühere Kapitän. Er habe hart dafür gearbeitet, so wie viele der
       Griechen. „Und dann kommt der Staat und nimmt einfach alles weg – das ist
       doch nicht gerecht“, ärgert er sich.
       
       Diavatidis war stets Wähler der Nea Dimokratia. Diesmal möchte er diese
       Partei nach all ihren Beschlüssen eigentlich nicht mehr wählen. „Doch die
       Syriza ist meiner Ansicht nach eine Gefahr für Griechenland, weil sie einen
       Euroaustritt hervorrufen könnte“, sagt Diavatidis. Nun sieht er sich
       gezwungen, wieder die ND zu wählen, damit nicht die Syriza gewinnt. Er
       entscheide sich damit vor allem gegen Tsipras, betont er.
       
       ## Die weniger schlechte Partei wählen
       
       Tsipras sei für ihn eine Weiterführung der früheren sozialdemokratischen
       Pasok unter Papandreou: „Die haben damals 500.000 Beamte in ihre Positionen
       gebracht und Darlehen aufgenommen, ohne sicherzustellen, das halten zu
       können. Sie haben die Basis zur heutigen Katastrophe gelegt.“ Deshalb hat
       er auch damals die Nea Dimokratia gewählt. „Für mich ist es seit jeher so:
       Ich wähle von zwei schlechten Parteien die weniger schlechte.“
       
       Die zweifache Mutter Niki Giorgiou wird es anders machen. Am 25. Januar
       wird sie die nationalkonservative, rechtspopulistische Partei Anexartiti
       Ellines (Unabhängige Griechen) wählen. Die 53-Jährige wendet sich auch
       gegen die Austeritätspolitik, die die Troika fordert. „Griechenland kann
       nicht mehr. Zusätzlich kommen immer mehr Einwanderer ins Land. Das können
       wir nicht mehr tragen“, sagt sie. Die durchlässigen Grenzen des Landes
       müssten stärker verteidigt werden, meint sie. Da die Anexartiti Ellines
       eine sehr kleine Partei sind und keine Chance auf einen Wahlsieg haben, ist
       sie dennoch eher für Tsipras als für Samaras. „Etwas Schlimmeres als Pasok
       oder ND gibt es nicht. Die machen alles kaputt.“ Hauptsache, eine
       Veränderung.
       
       Nicht weit entfernt wartet auf dem Syntagmaplatz vor dem Parlamentsgebäude
       Janis Boutzas auf einen Bekannten. Der 43-Jährige kommt gerade aus einer
       Besprechung von Mitgliedern der vor knapp einem Jahr gegründeten
       linksliberalen Partei To Potami (Der Fluss).
       
       Seine kleine Firma, ein Fashion-Onlineshop, ging pleite. Seitdem ist er
       arbeitslos und wird von der Familie finanziell unterstützt, denn staatliche
       Hilfe gibt es für den Freischaffenden nicht. To Potami ist für ihn ein
       Hoffnungsschimmer zwischen all den Parteien mit ihren Altlasten. „Zu uns
       gehören hauptsächlich Leute von 30 bis knapp 50 Jahren. Das ist die neue
       Generation Griechenlands, die etwas ändern möchte“, sagt Boutzas.
       
       To Potami ist proeuropäisch eingestellt, möchte die Wirtschaft
       Griechenlands mit neuen Produkten ankurbeln. Viele frühere Nichtwähler, die
       sich nicht immer bloß zwischen den sich stetig abwechselnden beiden
       Großparteien des Landes – Nea Dimokratia und Pasok – entscheiden wollten,
       sind nun Wähler dieser neuen Partei. „Ich war auch Nichtwähler“, so
       Boutzas, „Wir wollen jetzt einen sauberen Anfang machen.“ Denn die
       Diskussionen über einen potenziellen Grexit findet er mehr als schlimm. Das
       sei ein Angriff auf die Demokratie.
       
       24 Jan 2015
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Theodora Mavropoulos
       
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