# taz.de -- Dortmund hilft Borussia: Notfalltropfen aufm Platz
       
       > Borussia Dortmund quält sich erfolglos, die Bundesliga-Abstiegsplätze zu
       > verlassen. Dabei stehen Rettungsprofis hilfsbereit in den Startlöchern.
       
 (IMG) Bild: Die weitreichende Kraft des Erstehilfewesens kann sich auch in Dortmund entfalten: „Du rettest nie alleine“
       
       DORTMUND taz | Die große Borussia ist vor Beginn der Bundesliga-Rückrunde
       Vorletzter. Ein Abstiegsplatz. Die Verantwortlichen wirken ratlos. Wie nur
       geht es in der ehemaligen Kohlestadt wieder nach oben?
       
       Max Rehfeld weiß das. Rehfeld, 87, ist über 30 Jahre lang Steiger auf einer
       Zeche gewesen, „da drunten in dem tiefen, finstren Schacht“, wie es in
       einem Bergmannslied heißt. „Man war nie sicher, ob man heil wieder
       hochkommt und das Tageslicht wiedersieht.“ Jedes Mal, sagt der Mann, der
       heute ein Bergwerksmuseum im Stadtteil Mengede betreibt, sei man „mit
       großem Glücksgefühl, Dankbarkeit und Erleichterung“ wieder zurückgekehrt.
       
       Helfen kann Rehfeld nicht mehr. Laut Telefonbuch gibt es 255 Personen
       namens Retter in Deutschland – davon kein einziger in Dortmund. Keine gute
       Symbolik. Aber es gibt ja Rettungsprofis. Erster Versuch im Klinikum,
       Notaufnahme. Pfleger Miro sagt sofort: „Wie immer: zuerst Ruhe bewahren.“
       Schwester Gina möchte auch beim BVB auf „Schocktherapie wie beim Infarkt“
       setzen, mit Reanimation: „Wachmachen, aufrütteln.“
       
       Man stellt sich Reus & Co schon in Reihe liegend bei der Wiederbelebung
       vor. Doch Schwester Marianne, die so gemütlich wie unerschütterlich wirkt,
       widerspricht: „Nein, lieber vorsichtig positive Beeinflussung.“ Eine
       Therapie vielleicht? „Ja, oder einen Erste-Hilfe-Kurs.“ Beim Roten Kreuz
       läuft gerade einer. Nichts wie hin. Kursleiter Henrik Lober weiß das
       „Held“-Konzept des Hauses sofort auf den Fußball anzuwenden: H wie Hilfe
       rufen: Das DRK stehe bereit. E wie ermutigen. L wie lebenswichtige
       Funktionen kontrollieren: „Trainer Jürgen Klopp verbreitet doch gut die
       Zuversicht.“ D wie Decke unterlegen, zudecken: „Warmhalten, vorbereitet
       sein.“ Die Kursteilnehmer staunen über die weitreichende Kraft des
       Erstehilfewesens. Lober ergänzt: „Du rettest nie alleine. Gegenseitige
       Hilfe ist wichtig, gerade innerhalb einer Mannschaft.“ Der Zug geht
       Richtung zweite Liga.
       
       ## Aus dem tiefen Tal
       
       Peter Schmidt arbeitet bei der Bahnhofsmission: „Zu uns finden
       Gestrauchelte, um sich auszuquatschen. Aber mehr als Hilfe zur Selbsthilfe
       können wir nicht leisten.“ Die Chefin mischt sich ein, Swetlana Berg. Die
       Lage der Bahnhofsmission an Gleis 2–5 passe doch, sagt sie. „Da will der
       BVB ja wieder hin, Platz 5 mindestens“, lächelt sie und weist auf
       Mitarbeiterin Julia Hummels. „Das passt doch auch.“
       
       Der BVB droht im Abstiegsstrudel unterzugehen. Ein Fall für die Deutsche
       Lebens-Rettungs-Gesellschaft! Doch die Dame des DLRG-Landesverbands
       Westfalen ist bockig. „Da haben wir nichts mit am Hut. Das müssen die bei
       der Borussia selbst hinkriegen.“ Beim Deutsche Alpenverein, Sektion
       Dortmund, weiß man, wie es aus tiefem Tal nach oben geht. Mitarbeiterin
       Susanne Kubert: „In die Höhe kommt man Schritt für Schritt – mit
       Trittsicherheit und Ausdauer. Dazu mit einem starken Sicherungspartner –
       das sind die Fans.“
       
       In der Zeppelin-Apotheke empfiehlt eine Mitarbeiterin Vitaminpräparate:
       „Die stärken die Abwehrkräfte.“ Großartig, das könnte Gegentore verhindern
       helfen. Und Angriffspillen, Zielwasser? Hm, da muss sie passen. Kollegin
       Patrizia Andrzejczak von der Adler-Apotheke will „eine individuelle
       BVB-Mischung“ anrühren: „Baldrian zur Beruhigung und Bachblütentropfen,
       wirksam für die Psyche in Stresssituationen.“ Und akut am Spieltag?
       „Notfalltropfen für aufm Platz“, sagt sie im Dortmunder
       Adi-Preissler-Duktus.
       
       Nebenan, in der Stadtkirche St. Reinoldi, beginnt gerade die „Offene
       Seelsorge“. Ob schon leidende Fans da waren? „Nein, noch nicht“, sagt der
       ehrenamtliche Berater bei flackerndem Kerzenschein, „aber wenn jemand
       kommt, werde ich ihn sehr ernst nehmen.“ Angst vor einem Abstieg könne „für
       Menschen durchaus existenziell sein und die gleiche Wichtigkeit haben wie
       der Tod eines nahen Verwandten.“ Und wenn Spieler kämen, stünde er „für
       alle Krisengespräche bereit“.
       
       ## Lösung: der Hochleistungslüfter
       
       Offene Türen rennt man in der Feuer- und Rettungswache 1 ein.
       Brandinspektor André Lüdecke will sein komplettes Equipment zum Support
       einwechseln: „Das Tor dichtmachen: Mit unseren Sprungpolstern fangen wir
       alles auf. Ausdauer erhöhen: unsere Atemschutzgeräte. Sturm verbessern: Mit
       unseren Hochleistungslüfter treiben wir die Mannschaft nach vorne.“ Wenn
       gar nichts mehr gehe: „Unsere Höhenrettungsgruppe ist in der Lage, Personen
       aus Tiefen zu retten und mit einem Flaschenzug wieder nach oben zu
       bringen.“
       
       Und selbst aus der königsblauen Nachbarstadt kann der BVB auf Hilfe hoffen.
       Gelsenkirchens Hauptbrandmeister Hardy Corbeck sagt: „Berufsehre und
       Verpflichtung geht grundsätzlich über Stadtgrenzen hinaus, auch in diesem
       pikanten Fall.“ Kollege Brandmeister Nico Matetski bietet über das
       Saisonende hinaus, für den Fall der Fälle, sogar einen besonderen Service
       an: „Da wir montags Zeit haben, würde das Gelsenkirchener Blau-Licht auch
       in der zweiten Liga helfen kommen.“
       
       31 Jan 2015
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Bernd Müllender
       
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