# taz.de -- Wahlposse in bayerischer Stadt: Skandal um Rosi
       
       > In Geiselhöring musste die Kommunalwahl wiederholt werden. Eine
       > CSU-Kandidatin stand unter dem Verdacht des Betrugs. Die Wähler stört das
       > nicht.
       
 (IMG) Bild: Ist's nicht eine Idylle? Geiselhöring in Bayern
       
       GEISELHÖRING taz | Eines muss man Bayern lassen: Hier gedeihen die
       schönsten Skandale. Ein ganz besonders schöner wuchs auf den Spargelfeldern
       vor dem kleinen niederbayerischen Städtchen Geiselhöring. Bis jetzt war die
       größte Attraktion im Ort ein Stierkopf aus der Jungsteinzeit, jetzt ist er
       berühmt für mutmaßlichen Wahlbetrug. Am Sonntag wählten die Geiselhöringer
       zum zweiten Mal und gaben dem Skandal seinen letzten Schliff.
       
       Doch zurück zum Anfang: Seit die Großbäuerin Rosi Baumann denken kann, wird
       Bayern von nur einer Partei regiert, der CSU, ihrer Partei. Vielleicht
       entwickelte sie deshalb ein ganz eigenes Demokratieverständnis. Vielleicht
       wollte sie auch nur zur besseren Integration von ihren knapp 500
       rumänischen und polnischen Spargelerntehelfern beitragen. Auf jeden Fall
       wird ihr vorgeworfen, die knapp 500 Wahlzettel so beeinflusst zu haben,
       dass ihr Ort – einer der wenigen in Bayern, der nicht von der CSU regiert
       wurde – nach Jahrzehnten wieder einen CSUler als Bürgermeister bekam und
       sie selbst in den Stadtrat einzog. Zumindest legen das Ermittlungen der
       Staatsanwaltschaft nahe.
       
       Schon am Wahltag im März 2014 tauchten Merkwürdigkeiten auf: Von knapp 500
       Erntehelfern wählten fast 90 Prozent per Briefwahl. Auch legten sie eine
       erstaunliche Kenntnis des deutschen Wahlsystems an den Tag: Sie häufelten
       vier CSU-Kandidaten nach vorne: Baumann, den Freund ihrer Tochter, ihren
       Cousin und eine Mitarbeiterin. Und es wurde noch seltsamer: Die Häuser, in
       denen sie angeblich per Briefwahl gewählt hatten, hatten nicht einmal einen
       Briefkasten, waren gar unbewohnt. Nur: Wer füllte dann die Unterlagen aus?
       
       Alle Erntehelfer arbeiteten für Baumann. Ihre Stimmzettel wurden höchstens
       von fünf Personen ausgefüllt, wie ein Schriftgutachten des
       Landeskriminalamts ergab. Es wird vermutet, dass ein Kurier die
       Wahlunterlagen nach Polen und Rumänien brachte, sie dort unterschreiben
       ließ und sie als Wahlblankoschecks zurückbrachte.
       
       Als der Skandal ruchbar wurde, machte es Baumann wie die Großen: Leugnen,
       Aussitzen, sich selbst zum Opfer machen. Noch heute, nachdem die
       Staatsanwaltschaft schon ihren Hof durchsucht hat, beteuert sie ihre
       Unschuld und beklagt, die „Anfeindungen“ gegen sie seien „unerträglich“.
       Aus der CSU sind sie und ihr Mann ausgetreten.
       
       ## „Wen sollst jetzt da wählen?“
       
       Der durch den Wahlbetrug ins Amt gespülte Bürgermeister Herbert Lichtinger
       wiederum verurteilte den Wahlbetrug, das Amt nahm er trotzdem gerne an.
       Erst als die Wahlen Anfang Oktober offiziell für ungültig erklärt wurden,
       überließ er es einem neutralen Beamten. Dessen einzige Aufgabe: Die Wahl am
       Sonntag skandalfrei zu halten. Er schrieb 500 EU-Bürger an, um
       herauszufinden, ob ihr Lebensmittelpunkt in Geiselhöring sei und sie damit
       wahlberechtigt seien. Nur 40 antworteten. Das Landratsamt teilte mit, dass
       keiner der Kandidaten der Wahlfälschung beschuldigt werde.
       
       Für manche Wähler machte diese Gemengelage es letzten Sonntag nicht
       einfacher. Ein Ehepaar stand wie ein Fragezeichen vor den Wahllisten. „Wen
       sollst jetzt da wählen?“, fragten sie. „Das Vertrauen zur Politik ist weg.“
       Die Wut über den Wahlbetrug nicht. „Die erheben sich übers Volk“, sagte
       eine Wählerin. Nicht wenige wünschten sich, dass die CSU für den
       vermeintlichen Wahlbetrug aus ihren Reihen abgewatscht werde.
       
       Doch viele CSU-Wähler, die letztes Mal zu Hause blieben, kamen diesmal, um
       genau das zu verhindern. Das Ergebnis: Die CSU stellt mit 61,5 Prozent den
       Bürgermeister in Geiselhöring. Im Stadtrat verlor die CSU immerhin einen
       Sitz, stellt noch zehn von zwanzig Mitgliedern. Die Freien Wähler holten
       sieben Sitze, die SPD mit 12,4 Prozent drei. Rosi Baumann hat dem Gewinner
       Herbert Lichtinger bereits per SMS gratuliert. Lichtinger sagt: „Die Leute
       wissen, dass ich ein ehrlicher Mensch bin.“
       
       2 Feb 2015
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Lisa Schnell
       
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