# taz.de -- Bruno-Kreisky-Preis für Najem Wali: Das Menschliche in der Hölle
       
       > Najem Walis Roman „Bagdad Marlboro“ erhält den Bruno-Kreisky-Preis. Es
       > ist eine Auszeichnung für das politische Buch.
       
 (IMG) Bild: Najem Wali, Archivbild aus dem Jahr 2009.
       
       Najem Wali war gerade in den USA unterwegs, als ihn die Nachricht ereilte:
       Sein jüngster Roman „Bagdad Marlboro“ wird mit dem Bruno-Kreisky-Preis für
       das Politische Buch ausgezeichnet. Vergeblich hatte er tags zuvor versucht,
       in Fort Meade, Maryland, in die Hochburg des Geheimdienstes NSA
       einzudringen. Und wenig später sollte er sich mit der 90-jährigen Wienerin
       Annie Kelemen treffen, die 1939 mit dem letzten Kindertransport nach London
       der Deportation ins KZ entgangen war.
       
       Die Holocaust-Überlebende setzt sich jetzt für die prominenteste politische
       Gefangene der USA ein: Chelsea Manning, die vor fünf Jahren als Soldat
       Bradley Manning Hunderte E-Mails, die Gräueltaten der US-Marines im Irak
       dokumentieren, an Wikileaks geleakt hatte. Ihr ist „Bagdad Marlboro“
       zugeeignet und um sie soll es auch im nächsten Roman gehen.
       
       Najem Wali ist ein Meister des Verbindens von Handlungssträngen, die
       scheinbar nichts miteinander zu tun haben. Und so fiel es ihm nicht schwer,
       Gemeinsamkeiten zwischen seinem eigenen Schicksal und dem Namensgeber des
       Preises zu entdecken, der ihm am Montag im Wiener Rathaus verliehen wurde.
       
       Im Sitzungssaals des Stadtsenats hatte sich der sozialdemokratische Adel
       versammelt. Darunter Exbundeskanzler Alfred Gusenbauer, der inzwischen als
       internationaler Konsulent für alles Mögliche üppig Kohle macht,
       Exfraktionschef Josef Cap, der als geschäftsführender Präsident des
       Karl-Renner-Instituts nicht viel zu tun hat, und natürlich Hannes Swoboda,
       ehemals SPÖ-Delegationsleiter im Europaparlament.
       
       ## „Wie kann man als Mensch in der Hölle überleben?“
       
       Als Präsident der Jury konnte er das Privileg beanspruchen, die Laudatio
       auf den irakischen Preisträger zu halten. Die Jury bemüht sich immer,
       Schriftsteller zu ehren, die in einer Beziehung zum Lebenswerk des
       ehemaligen SPÖ-Bundeskanzlers Bruno Kreisky (1970–1983) stehen. Das waren
       vor allem die Nahostpolitik und der antifaschistische Widerstand.
       
       Wali entdeckte in seiner Dankesrede erstaunliche Parallelen: „Was mir
       zuerst ins Auge stach, war seine Verhaftung 1936 aufgrund seiner
       politischen Aktivitäten gegen das austrofaschistische Regime. Damals war er
       25 Jahre alt und wanderte für ein Jahr hinter Gitter.“ Er selbst war 44
       Jahre später „23 Jahre alt gewesen, als man mich in die Folterzellen der
       Baath-Partei und damit eines Diktators geworfen hatte, dem bei seinem Sturz
       niemand auch nur eine Träne nachweinte“.
       
       Wali, der alle seine Romane im deutschen Exil geschrieben hat, stelle, so
       Swoboda in seiner Laudatio, immer wieder die Frage: „Wie kann man als
       Mensch in der Hölle überleben?“ Und obwohl diese Bücher die schrecklichsten
       Ereignisse schildern, könne man „die Hoffnung auf Frieden und
       Menschlichkeit herauslesen“. Wali versteht sich als Aufklärer, der den
       Wahnsinn des islamistischen Terrors nicht beschönigen will, aber auch den
       Westen, dessen Kolonialpolitik viel dazu beigetragen habe, nicht aus der
       Verantwortung entlässt.
       
       So macht er sich einen Leitsatz der litauisch-amerikanischen Anarchistin
       und Friedensaktivistin „Red Emma“ Goldman zu eigen: „Das gewalttätigste
       Element der Gesellschaft ist die Unwissenheit.“
       
       11 Mar 2015
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Ralf Leonhard
       
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