# taz.de -- Atlético Madrid in der Champions League: Der Rocker an der Seitenlinie
       
       > Atlético Madrid setzt gegen Leverkusen auf Standards. Die trainiert der
       > streitbare Co-Trainer Burgos. Ein Typ mit viel Adrenalin. Und das muss
       > raus!
       
 (IMG) Bild: Dirigiert an der Seitenlinie mit: Germán Burgos
       
       MADRID taz | Wieder nur Remis. Germán Adrián Ramón Burgos tigerte rauchend
       neben dem abfahrbereiten Mannschaftsbus entlang. Das war insofern
       bemerkenswert, als er vor vielen Jahren mal öffentlich dem Tabak abschwor –
       nach überstandenem Nierenkrebs, den er auf sein ewiges Laster zurückführte.
       Aber so diszipliniert ist er nun mal nicht.
       
       „El Mono“, der „Affe“, früherer Weltklassetorwart mit Matte, Baseballcap
       und verrückten Paraden, Frontmann der Band The Garb (benannt nach seinen
       Initialen) und heutige Assistenztrainer von Atlético Madrid ist auch mit 45
       und kürzeren Haaren immer Rocker geblieben. Einer mit viel Adrenalin. Und
       das muss raus.
       
       So wie im Achtelfinalhinspiel der Champions League, als er sich mit
       Leverkusens Trainer Roger Schmidt anlegte und ihn unter anderem als „puto“
       (Stricher) beschimpfte. Es war nicht die erste Aktion dieser Art und wird
       nicht die letzte bleiben. Als Spieler wurde Burgos mal wegen eines
       Faustschlags elf Partien gesperrt, als Co-Trainer zuletzt vorige Saison
       wegen Schiedsrichterbeleidigung aus dem Verkehr gezogen.
       
       In Leverkusen war der Ärger besonders groß, weil es einfach nicht lief.
       Schmidt hatte Atlético perfekt studiert und ein so geeignetes Gegengift
       gefunden, dass er die grundaggressive Malochertruppe in eine kleine
       Identitätskrise stürzte: Wie konnte es sein, dass eine andere Mannschaft
       mehr Intensität auf den Platz brachte und sogar mehr foulte? Dass sie
       Atlético also mit den eigenen Waffen schlug? Die Zweifel dauern an.
       
       ## Erst mal eine Kippe
       
       Auf den Prototyp im Rheinland folgten ähnliche Partien in Sevilla (0:0),
       gegen Valencia (1:1) und zuletzt am Samstag bei Espanyol Barcelona (0:0).
       Viermal in Folge nicht gewonnen, nur ein Tor geschossen, Verteidigung der
       Meisterschaft bei neun Punkten Rückstand auf Barcelona wohl passé und
       erstmals seit zweieinhalb Jahren zu einem relevanten Zeitpunkt der Saison
       nicht unter den Top drei: Da braucht man erst mal eine Kippe.
       
       Eine „Masche, dass der immer vorgeschickt wird und Theater macht“,
       entdeckte Atlético-Kenner Schmidt nicht ganz zu Unrecht in der Posse mit
       dem Vize. „El Mono“ Burgos ist Argentinier, wie sein Chef „El Cholo“
       Simeone, beide verbindet eine lange Freundschaft. Falsch wäre jedoch die
       Annahme, seine Rolle bestünde lediglich in der des „Türstehers“ (Schmidt).
       Tatsächlich handelt es sich auch taktisch um einen der einflussreichsten
       Co-Trainer im europäischen Spitzenfußball. Insbesondere berät er Simeone
       federführend bei den Standardsituationen, und so richten sich die
       Hoffnungen auf eine erfolgreiche Wende gegen Leverkusen nicht zuletzt auf
       ihn.
       
       Als Simeone kurz nach Weihnachten 2011 bei Atlético anheuerte, besuchte
       Burgos als Erstes eine Madrider Buchhandlung, die er mit allem verließ, was
       er zum Thema Standards fand: 14 Fachbücher. Seitdem hat Atlético aus Ecken
       und Freistößen eine Kunst gemacht. Über 40 Prozent ihrer Tore in der
       vorigen Champions-League-Saison erzielten die Ergebniskünstler aus dem
       Madrider Süden auf diese Weise. Das Tor, das 2013 den Pokalsieg gegen
       Nachbar Real in dessen Estadio Santiago Bernabéu besiegelte, köpfte
       Innenverteidiger João Miranda, das Tor, das 2014 in Barcelona die
       Meisterschaft brachte, köpfte Innenverteidiger Diego Godín, wie auch das
       Tor, das vorigen Mai bis in die Nachspielzeit hinein zur Führung im
       Champions-League-Finale reichte.
       
       ## Der Weg zum Tor als Mount Everest
       
       Zuletzt allerdings schwächelte die Produktion aus Burgos’ Abteilung. Und
       weil es den Rot-Weißen aus dem Spiel heraus nie so leicht vom Fuß geht,
       schaffte man seit einem triumphalen 4:0 gegen Real Madrid nur vier Tore in
       sechs Spielen, davon drei gegen Abstiegskandidat Almería. Besonders wenn es
       gestalten muss und keine Räume für Konter findet, stellt sich der Weg zum
       Tor für Atlético oft als wahrer Mount Everest heraus.
       
       Schmidt wusste natürlich auch das, weshalb er seine Leute in der
       Schlussphase des Hinspiels anhielt, trotz numerischer Überlegenheit nach
       dem Platzverweis von Tiago lieber das 1:0 zu sichern, anstatt tollkühn
       anzugreifen. Hauptsache, mit einem Vorsprung in die hitzige Atmosphäre des
       Estadio Vicente Calderón.
       
       Dort wird es für Atlético Dienstagabend nicht ohne Tore gehen. Simeone
       widmete sich in der Vorbereitung allerdings weniger Mario Mandzukic oder
       Fernando Torres, den beiden Mittelstürmern, die sich derzeit zum Ärger des
       Kroaten die Spielzeit aufteilen. Oder Antoine Griezmann, dem hochbegabten
       Allzweckangreifer. Nein, Simeone und Burgos nahmen sich am Sonntag eine
       halbe Stunde lang Miranda und José María Giménez zur Seite, die beiden
       hochgewachsenen Innenverteidiger. Thema der Extra-Einheit: offensive
       Standardsituationen.
       
       17 Mar 2015
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Florian Haupt
       
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