# taz.de -- Kommentar Terroranschlag in Tunis: Es liegt in der Hand der Ennahda
       
       > Die gewählten Islamisten müssen ihre taktische Allianz mit den
       > bewaffneten Gruppen aufgeben. Nur dann kann sich Tunesien weiter
       > demokratisieren.
       
 (IMG) Bild: Trauergebet nach dem Anschlag in Tunis
       
       Das kleine Tunesien hat mächtige Feinde. Das zeigte der Anschlag vom
       Mittwoch auf das Nationalmuseum Bardo in der Hauptstadt Tunis, bei dem nach
       bisherigen Angaben 21 Menschen ihr Leben verloren und mehr als 40 zum Teil
       schwer verletzt wurden. Der Angriff trifft das Herz Tunesiens. Das Land
       lebt vom Tourismus. Bleibt dieser aus, ist das eine Katastrophe. Das wissen
       die bewaffneten Islamisten und deren Hintermänner.
       
       Und sie wollen, dass das neue Tunesien keine Chance hat. Denn das mutige
       Land steht für eine andere arabische Welt. Mit dem Aufstand der Jugend, die
       den arabischen Frühling einleitete und Diktator Ben Ali stürzte, rückte
       Tunesien ins Zentrum einer möglichen Demokratisierung einer Weltregion, die
       bisher von Demokratie weit entfernt ist. Nur in Tunesien war der Schrei
       nach Freiheit bisher erfolgreich. Im vergangenen Jahr wurde eine neue
       Verfassung verabschiedet, mit auf ihrer Grundlage eine Regierung und ein
       Staatschef gewählt.
       
       Hinzu kommt die liberale Tradition des Landes. Nirgends sonst in der
       arabischen Welt haben die Frauen so viele Rechte wie hier. Die Religion ist
       zwar in der Verfassung verankert, doch für einem breiten Teil der
       Bevölkerung gehört sie zur Privatsphäre und hat in der Politik wenig
       verloren.
       
       Die neue Demokratie und die weitgehend säkulare Tradition Tunesiens sind
       den Herrschern in der arabischen Welt und den Islamisten – nicht nur den
       Radikalen unter ihnen - ein Dorn im Auge. Die Islamisten, egal welcher
       Couleur und egal wie radikal sie sind, werden von aussen unterstützt. Wenn
       der Versuch ein Land zu kontrollieren – wie in Tunesien geschehen - an den
       Urnen scheitert, dann muss es eben im Blut erstickt werden.
       
       ## Jetzt bloß keine Hetzjagd
       
       Für Tunesien ist die Stunde der Wahrheit gekommen. Ein hartes Vorgehen
       gegen den islamistischen Terror, ja, aber das darf nicht in der Verfolgung
       des politischen Islams enden. Eine Spaltung zwischen säkularen und
       religiös-politischen Kräften, wie er im Algerien der 1990er Jahre stattfand
       – und damals von Europa unterstützt wurde - ist das Ende jeder
       demokratischen Entwicklung, jeden Fortschritts. Es ist genau das, was die
       radikalen Gewalttäter anstreben.
       
       Erfreulicherweise haben führende Politiker der islamistischen Partei
       Ennahda, die das Land nach dem Sturz der Diktatur für zwei Jahre regierte,
       den Anschlag umgehend mit klaren, deutlichen Worten verurteilt. Gerne reden
       die Führer der religiös-politischen Formation von einer Art tunesischen
       Christdemokratie, oder in diesem Falle Islamodemokratie.
       
       Ennahda muss diesen Anspruch jetzt ernsthaft umsetzen, sich von ihren
       Unterstützern im den Golfstaaten, die alles andere als einen
       Demokratieprozess im Sinne haben, lösen und auf die säkularen Kräfte
       zugehen. Es ist an der Zeit, dass Ennahda das bisher eher taktische
       Verhältnis zu den Radikalen aufgibt und sich ganz und gar in den
       politischen Prozess integriert. Demokratie oder Barbarei – eine dritten Weg
       gibt es nicht.
       
       19 Mar 2015
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Reiner Wandler
       
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