# taz.de -- Die Wahrheit: Faule Romantik in Rotovegas
       
       > Neues aus Neuseeland: Am verruchtesten Ort Aotearoas stinkt es. Der Atem
       > aus dem Inneren der Erde steigt in die Nasen paarungsbereiter Pärchen.
       
       Man kann dem schönen Aotearoa viel Gutes nachsagen: bikulturell,
       naturbelassen, freundlich, angenehm temperiert. Weder allzu wilde Tiere
       noch Nörgler, Drängler und Angeber. Eines jedoch lässt sich bei aller Liebe
       zum Land der langen weißen Wolke nicht behaupten: dass es besonders sexy
       ist. Denn leider haben wir als einzigen Sündenpfuhl des Landes nur Rotorua
       vorzuweisen. Und das wurde uns gerade madig gemacht.
       
       Rotorua ist das Städtchen drei Stunden südöstlich von Auckland, wo sich
       alle Touristenbusse auf ihren Rundreisen einfinden, um Maori-Tänze zu
       erleben. Der Ort ist entsprechend mit schlechten China-Restaurants und
       Souvenir-Läden gepflastert. Mehr Kitsch und Massentourismus gibt es im
       ganzen Lande nicht. Daher kennt man Rotorua auch als Rotovegas. Was ein
       Scherz ist, denn in Rotovegas werden lange vor Mitternacht die Bürgersteige
       hochgeklappt. Es gibt weder Spielhöllen noch einen Strich.
       
       Berühmt ist Rotorua für seine thermische Aktivität. Die ganze Stadt ist
       rund um heiße Quellen und Schwefel-Pools gebaut. In manchen Gärten steht
       statt einem Grill ein naturbetriebenes Siedebad. Buddelt man am Seeufer ein
       Loch, hat man ein warmes Schlammbad. Und kaum steigt man aus dem Auto,
       umweht einen süßlich-fauler Schwefelgeruch: stinkender Atem aus dem Inneren
       der Erde. Soll aber gesund sein.
       
       Nur leider nicht romantisch, wie das Popkultur-Magazin Paste letztens
       feststellte. In einem Reiseartikel wollte es Singles vor allzu
       pärchenlastigen Paarungsorten warnen. In einer Liste der elf
       unromantischsten Plätze der Welt taucht neben Beijing, Atlantic City und
       Blackpool in England auch Neuseelands Touristenhochburg auf. „Während die
       heißen Quellen und die Landschaft schön sind – der Geruch ist es nicht. Es
       wird schwer sein, in ’Schwefel City‘ in Stimmung zu kommen“, schreibt
       Paste. Die Seite hat bis zu drei Millionen Besucher – Neuseeland hat vier
       Millionen Einwohner. Autsch.
       
       Nichts trifft sensible Kiwi-Seelen härter als Kritik von außen. Weshalb
       sich Rotorua empört zur Wehr setzte. Der Manager des Thermentempels
       „Polynesian Spa“ verteidigte die lokalen Düfte: „Nicht schlimmer als
       Autoabgase in Sydney, aber weniger schädlich.“ Maori-Priester Darren Brown
       betonte, dass seine Stadt eine Anlaufstelle für Heiratswillige sei, da
       diese in die Fußstapfen von Hinemoa und Tutanekai treten würden – zwei
       Geliebte aus der Maori-Mythologie, denen der bekannteste neuseeländische
       Song „Pokarekare Ana“ gewidmet ist. „Die Saat der Liebe ist hier gesät
       worden“, so der Gottesmann, der kürzlich einen eigens für die Zeremonie im
       Privatjet eingeflogenen Russen traute. Schmacht!
       
       Was keiner der Offiziellen verriet, aber dringend in die Werbekampagne für
       Rotoruas ramponierten Romantik-Ruf gehört: Die Schwefelgase wirken laut
       neuester Forschungen aphrodisierend. Der Gestank ist kostenloses
       Natur-Viagra. Wenn Paste das gewusst hätte! Es ist jetzt vom Bürgermeister
       eingeladen worden, den Eros von Rotovegas selber zu erschnüffeln.
       
       9 Apr 2015
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Anke Richter
       
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