# taz.de -- Die Wahrheit: Mützige Schnüffler
       
       > Jahrelang arbeiteten die Mainzelmännchen nicht nur für das ZDF. Sie
       > spionierten auch für den US-Geheimdienst NSA.
       
 (IMG) Bild: Tun so, als wenn sie kein Wässerchen trüben könnten: die perfiden Agenten vom Mainzer Lerchenberg.
       
       MAINZ/FORT MEADE taz | Die NSA spionierte schon weit früher in deutsche
       Wohnzimmer hinein als bisher bekannt. Dies ergeben die Auswertungen der
       jüngst veröffentlichten Snowden-Dokumente. Eine genaue Analyse enthüllt
       auch die operativen Tarnnamen der Top-Spione: Anton, Berti, Conni, Det, Edi
       und Fritzchen – deutschen Zuschauern als „die Mainzelmännchen“ bekannt.
       
       Die konspirative Gruppierung konnte ihren verdeckten Umtrieben
       offensichtlich über Jahrzehnte hinweg nachgehen, ohne das Misstrauen der
       hiesigen Behörden zu erregen.
       
       Der Skandal um die knubbelmützigen Schnüffler reicht bis in die
       Nachkriegszeit zurück. Damals erlaubten die alliierten Amerikaner den
       Aufbau deutscher Sendeanstalten nur unter der Auflage, dass sie die mediale
       Infrastruktur für eigene Zwecke nutzen durften. Anfangs lieferte die
       analoge Technik keine befriedigenden Ergebnisse, und so gewährte das
       „magische Auge“ alter Röhrenradios nur verschwommene Einblicke in die
       deutsche Privatsphäre.
       
       Erst Jahre später wurde es möglich, die Röhrenfernseher als teilaktiven
       Verbund kommunizierender Röhren zu betrieben. Um den Minispionen in den
       Geräten gute Arbeitsbedingungen zu bieten, waren Fernseher wie der
       „Nordmende Superspektral“ sogar mit einer kleinen Kantine mit drei
       Stammessen ausgestattet.
       
       Besonders perfide ist, dass sich die Agenten das Vertrauen der deutschen
       Zuschauer durch demonstrative Putzigkeit erschlichen. Die abgefeimte
       Strategie der Amerikaner bestand in der Einschleusung sogenannter C.I.A. –
       Cute Intelligent Avatare, die mit niedlichen Späßen, drolligen
       Schelmereien, tapsigem Ulk, heiteren Possierlichkeiten und spitzbübischen
       Neckereien die Herzen der Deutschen eroberten und in den Werbepausen
       Schnappschüsse nach Amerika senden sollten.
       
       Die Mainzelmännchen füllten diese Rolle mit gespenstischer Perfektion aus,
       und höchstens ab und zu ließ Det (Abk. f. Detektor) seine Verschlagenheit
       hinter der runden Brille hervorblitzen. Ungeklärt bleibt indes, ob er auch
       als Doppelagent für den israelischen Mossad tätig war, wie Quellen
       mutmaßen.
       
       ## Ausspähung der deutschen Abendbrotkultur
       
       Trotz ihrer langjährigen psychologischen Schulung konnten die
       „Mainzelmännchen“ kaum Radikalisierungstendenzen aus den Wohnzimmern der
       jungen Republik vermelden. Erst bei der Ausspähung der deutschen
       Abendbrotkultur schienen die verschmitzten Spitzel fündig zu werden, und so
       wurde „Russisch Ei“ als kommunistisches Infiltrations-Häppchen ins
       NSA-Hauptquartier nach Fort Meade gemeldet.
       
       Sorgfältige Analysen zeigten jedoch, dass Ei, Remoulade und Kaviar
       lediglich den deutschen Cholesterinspiegel bedrohten. Auch das
       Gefährdungspotenzial von Gurken-Schiffchen und Kullerpfirsich wurde als
       eher gering eingestuft. Lediglich der Mett-Igel mit spitzen Zwiebelstiften
       stand längere Zeit unter Beobachtung und wurde erst seit den achtziger
       Jahren nicht mehr dem Reich des Bösen zugerechnet.
       
       Überraschenderweise zeigen die Dokumente, dass auch die Sowjets eine
       ähnliche Strategie verfolgten: Sie kundschafteten die DDR-Bürger mit dem
       Sandmännchen aus, das den Zuschauern gezielt den Sand der Leichtgläubigkeit
       in die Augen streute. Angeblich wurde es sogar nach den Körpermaßen von
       Erich Mielke gestaltet und durfte Leonid Breschnews Privatmütze auftragen.
       Ob der neugierige kleine Mann mit dem weißen Bart als Einzeltäter
       arbeitete, ist zurzeit noch ungeklärt. Die ebenfalls unter Verdacht
       stehenden Pittiplatsch und Schnatterinchen ließen über ihre Anwälte
       mitteilen, sie hätten von derlei Vorkommnissen keine Kenntnis erlangt.
       
       Zurück auf den Lerchenberg. Beim westdeutschen ZDF war man offensichtlich
       bemüht, die alte Affäre möglichst geräuschlos beizulegen, und so entschied
       man schon vor Jahren, die gerissenen Original-Mainzelmännchen durch geistig
       minderbemittelte, aber unverdächtige Nachfolger zu ersetzen.
       
       Die Agententruppe musste jedoch nicht befürchten, in die Arbeitslosigkeit
       abzugleiten, denn dank alter Seilschaften ist die Gruppierung nun auf
       YouTube aktiv und versorgt den amerikanischen Arbeitgeber weiterhin mit
       sensiblen Informationen.
       
       Nachtrag: Die Dokumente enthüllen noch mehr ungeheuerliche Verdachtsmomente
       und werfen ganz neue Fragen auf: War auch Robert Lembke eine konspirative
       Kunstfigur? Diente die Sendung „Was bin ich?“ womöglich dazu,
       unbescholtenen Bürgern mit „simplen“ Fragen geheimes Wissen zu entlocken?
       „Und welches Schweinderl hätten's denn gern?“ Die Antwort kennt nur die
       NSA.
       
       10 Apr 2015
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Andreas Czech
 (DIR) Daniel Schmidtmann
       
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