# taz.de -- Neues Fifa-Beratergesetz: Aufstand der Vermittler
       
       > Mit der Lizenzierung fällt auch die Qualitätssicherung in der
       > Spielervermittlung weg. Deshalb machen Berater, wie Guido Nickolay, jetzt
       > mobil.
       
 (IMG) Bild: Sein bester Mann: Philipp Wollscheid, bei Guido Nickolays Agentur Soccer and more unter Vertrag
       
       Ein ganz normaler Job ist das, sagt Guido Nickolay. Er ist Berater,
       Spielerberater. „Wenn man fleißig ist und ehrlich, dann kann man in dieser
       Branche viel erreichen.“ Es ist ein Business, das nicht den besten Ruf hat.
       Glücksritter sind unterwegs, auf der Suche nach dem schnellen Geld.
       Abzocker, die Spieler wie einen Jeton auf dem Roulettetisch platzieren.
       Wichtigtuer, die das Blaue vom Himmel versprechen. Mitunter auch
       Menschenhändler, die Talente wie eine heiße Kartoffel fallen lassen, wenn
       sich die Aussichten für den Spieler verdüstern oder er sich schlimm
       verletzt hat.
       
       Nickolay führt die Agentur Soccer and more in Saarbrücken. Er führt sein
       Unternehmen etwas anders als in der Szene üblich. Seine Leute verzichten
       auf Bohei und den großen Auftritt. Wenn sie vor einem Fußballstadion
       vorfahren zur Spielerbeobachtung oder zum Gespräch mit dem Vereinsmanager,
       dann muss es nicht ein Wagen für 100.000 Euro sein. Gegelte Haare, eine am
       Arm baumelnde goldene Rolex und der teure schwarze Anzug von Armani sind
       bei Soccer and more auch verpönt. Man möchte „normal“ erscheinen. Manchmal
       sagen die eitlen Gecken von der Konkurrenz dann abschätzig: „Guck mal, die
       Taxifahrer sind wieder da.“
       
       Nickolay stört das nicht: „Ich brauche keine große Reputation. Im Grunde
       sind wir die Schattenmänner. Wenn wir im Hintergrund bleiben, machen wir
       einen guten Job. Wir sind nicht die Leute, die unbedingt auf der Tribüne
       sitzen müssen, wenn ein Spieler von uns vier Tore schießt, aber wir sind
       da, wenn ihm das Kreuzband platzt.“
       
       Da sein, sich kümmern, immer am Telefon hängen, Kontakte pflegen, gute
       Deals abschließen und die Karriere clever planen, darum geht es. Die
       Anforderungen an eine gute Betreuung von Profispielern werden immer
       komplexer, die Agenturen größer und professioneller. Nickolays Agentur
       betreut über 150 Spieler und auch ein paar Fußballerinnen. Am bekanntesten
       ist Philipp Wollscheid, der im Winter von Bayer Leverkusen an Stoke City in
       der englischen Premier League ausgeliehen wurde. Sein Marktwert beträgt
       laut [1][transfermarkt.com] 4 Millionen Euro. Bis zum Jahr 2013 war auch
       Nationalspieler Per Mertesacker bei Nickolays Agentur. Der wechselte dann
       aber zur neu gegründeten Spielerrat GmbH, weil sein bester Kumpel dort
       Berater wurde.
       
       ## Über 200 Tage unterwegs
       
       Nickolay, der gut Französisch spricht, ist auch oft in Frankreich
       unterwegs. Gerade hat er ein vielversprechendes Nachwuchstalent beim AS
       Saint-Étienne unter Vertrag genommen. Sein bekanntester französischer
       Spieler, Eric Bauthéac, kickt beim OGC Nizza und wird auf 3,5 Millionen
       Euro taxiert. Über 200 Tage im Jahr ist Nickolay unterwegs, in Spanien,
       England, Frankreich oder Deutschland. Es ist ein aufreibender Job, der
       jahrelange Erfahrung erfordert. Bis vor Kurzem war dafür auch noch eine
       Lizenz vonnöten. Man musste beim Deutschen Fußball-Bund (DFB) eine Prüfung
       bestehen. Von 20 Fragen mussten 14 richtig beantwortet werden. Aber die
       Lizenz wurde abgeschafft. Von der Fifa.
       
       Bisher war es so: Nach bestandener Prüfung zahlte man 500 Euro an den
       Verband und wies den Abschluss einer Berufshaftpflichtversicherung nach –
       und schon war man lizenzierter Spielerberater. Obwohl die Durchfallquote
       bei der Prüfung bei 80 Prozent gelegen haben soll, gab es zuletzt über 400
       lizenzierte Spielerberater in Deutschland, daneben noch eine Vielzahl nicht
       lizenzierter Vermittler, die auch ein Fitzelchen abhaben wollten vom immer
       größer werdenden Fußballkuchen. Und dann sind da auch noch Rechtsanwälte,
       Eltern, Geschwister sowie Ehepartner von Spielern, die bisher befreit waren
       vom Erwerb einer Lizenz. Es ist ein verlockendes Millionengeschäft: Mehr
       als 100 Millionen Euro haben Spielerberater in der Saison 2013/14 kassiert,
       allein in Deutschland. Vier Jahre davor waren es 71,6 Millionen Euro.
       
       Doch die Lizenz gibt es seit April nicht mehr. Der Fußballweltverband hat
       sich etwas Neues ausgedacht, das eigentlich schon sechs Jahre in den
       Schubladen der Fifa liegt. Damals kam Fifa-Chef Sepp Blatter mit seiner
       Berater-Reform aber nicht durch bei den Spielerberatern, Klubs und Ligen.
       Jetzt versucht er es erneut. Die Berater sollen nun für jedes
       Transfergeschäft eine „Vermittlererklärung“ abgeben. Darin versichert der
       Spielerberater, sich an nationale und internationale Gesetze zu halten und
       sich den Statuten der „Verbände, Konföderationen und der Fifa“ zu
       unterwerfen. Überdies muss er einen tadellosen Leumund vorweisen. Er darf
       „weder für ein Finanzdelikt noch für ein Schwerverbrechen strafrechtlich
       verurteilt worden sein“.
       
       ## Jedes Geschäft landet beim DFB
       
       Der Verband erhält nun das Recht, „sich umfassende Informationen zu
       Zahlungen jeglicher Art zu beschaffen“ – vom Verein oder vom betreuten
       Spieler. Der Verband darf sämtliche Daten „aufbewahren, verarbeiten und
       veröffentlichen“. Kurzum: Jedes Geschäft landet über den sogenannten
       Vermittlungsvertrag beim DFB.
       
       Der Weltverband spricht von Transparenz und „angemessener Kontrolle“, die
       Fifa will Spieler und Vereine vor „unethischen oder illegalen Praktiken
       beim Abschluss von Arbeitsverträgen“ schützen, gemeint sind unlautere Deals
       mit minderjährigen Spielern und das Auftreten von mehreren Beratern bei
       einem Transfer. Insgesamt möchte die Fifa den Fußball, nun ja,
       „verbessern“.
       
       Doch von Verbesserung könne keine Rede sein, „die Idee ist gut, aber die
       Umsetzung ist schlecht“, erregt sich Gregor Reiter, Geschäftsführer der
       Deutschen Fußballspieler-Vermittler Vereinigung, DFVV, in einem Artikel auf
       transfermarkt.de. „Murks“ sei das; mit der taz möchte Reiter nicht sprechen
       und auch keine Fragen schriftlich beantworten. „Jetzt kann jeder
       Muscheltaucher in die Klubs spazieren und den Spielervermittler geben“,
       sagt ein Kollege von Reiter. Auch Guido Nickolay findet die neue Regelung
       nicht gut, „Vertragsdaten gehen keinen etwas an, was ist denn mit dem
       Datenschutz?“
       
       Die Lizensierung habe bislang zu einer gewissen Qualitätssicherung
       beigetragen. Aber jetzt? „Kann jeder Pommesbudenbesitzer oder Rohrreiniger
       Berater werden“, findet Nickolay. Statt einer Abschaffung der Lizenzierung
       hätte es eine Verschärfung geben müssen, damit die Abgrenzung zu unseriösen
       Geschäftemachern größer wird. „Das Thema ist gar nicht durchdacht, ich
       werde jedenfalls meine Lizenz nicht abgeben. Da zuckt jeder, wenn ich die
       vorzeige.“ Es geht ihm auch um die Berufsehre. Die alten Hasen sind
       gekränkt.
       
       ## DFB missbraucht seine Stellung
       
       Derzeit ist unklar, wie es weitergeht, denn die Beratungsagentur Rogon hat
       vorm Frankfurter Landgericht gegen die Reform geklagt und teilweise recht
       bekommen. Rogon-Anwalt Johannes Zindel sagt, dass man zwei Stoßrichtungen
       verfolge: Erstens missbrauche der DFB seine marktbeherrschende Stellung,
       und zweitens werde in die Preisgestaltungsfreiheit eingegriffen. Die Fifa
       empfiehlt für künftige Geschäfte ein Beraterhonorar von 3 Prozent vom
       Bruttojahresgehalt des Spielers. Noch so ein Affront.
       
       Das empfinden viele Spielerberater als Witz, kassierten sie doch bisher
       zwischen 5 und 20 Prozent vom großen Batzen, je nachdem, ob das Geschäft in
       England oder Brasilien abgewickelt, vom Verein oder vom Spieler in Auftrag
       gegeben wurde. Üblich sind in der Szene 10 Prozent. Man möchte sich nicht
       vorschreiben lassen, wie viel man verdient – und nennt schon mal
       vorsorglich Modelle, wie man die 3-Prozent-Klausel umschiffen kann. „Dann
       rechne ich eben 2-mal 3 Prozent ab und lege noch ein Beratungshonorar
       drauf“, sagt einer.
       
       Einen Teilerfolg haben die Spielerberater in der ersten Runde des
       Rechtsstreits erzielt. Sie müssen sich nicht den Statuten und Regeln der
       Verbände unterwerfen. Außerdem sollen Honorarzahlungen für die Vermittlung
       von minderjährigen Lizenzspielern erlaubt bleiben. Aber die
       Auseinandersetzung vor Gericht kann sich hinziehen. „Der Rechtsstreit wird
       weitergehen“, prognostiziert Anwalt Zindel.
       
       ## Inkonsequenz in der Vergangenheit
       
       Das Problem, sagt Guido Nickolay, sei aber gar nicht so sehr dieses neue
       Fifa-Beratergesetz, sondern das Lavieren und die Inkonsequenz des DFB, der
       es in der Vergangenheit versäumt habe, Regelverstöße zu ahnden. Da habe
       Hinz und Kunz als Berater auftreten und mit Vereinsvertretern Transfers
       aushandeln können. All das habe der DFB toleriert. „Der Verband macht ja
       gar nichts. Er hat uns nie irgendwie geschützt. Eine echte Reform wäre es,
       wenn der DFB sagt: Wir gehen wirklich gegen Scharlatane vor und schützen
       die lizenzierten Vermittler.“
       
       Die Fifa überlässt jetzt den Nationalverbänden, also auch dem DFB, die
       Sanktionierung. Doch was sich der Verband an Strafen vorstellt, bleibt im
       Dunkeln. Eine Anfrage der taz ist seit Wochen unbeantwortet geblieben. Auch
       die Deutsche Fußball-Liga (DFL) lehnt es ab, sich zu positionieren.
       Schmeckt ihnen die neue Regelung genauso wenig wie den Beratern? Das
       vermuten einige in der Branche.
       
       Neues Reglement hin oder her, der Markt in Deutschland wird sich wohl nicht
       groß verändern. Die Claims sind abgesteckt. Fünf, sechs große Agenturen
       beherrschen die Szene, ein paar kleinere versuchen sich zu behaupten. Von
       den über 400 lizenzierten Beratern machen eh nur 50 oder 60 wirklich gute
       Geschäfte, schätzt Nickolay. Er gehört dazu. Seine Geschäfte mit
       Fußballspielern besiegelt er übrigens immer per Handschlag. „Das ist eine
       Sache des Vertrauens.“ Das ist sicherlich eine Herausforderung in einer
       Welt, die, wie Guido Nickolay zugibt, überlaufen ist von Blendern und
       Aufschneidern.
       
       10 May 2015
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] http://transfermarkt.com
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Markus Völker
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Deutscher Fußballbund (DFB)
 (DIR) Sepp Blatter
 (DIR) Fifa
 (DIR) Fußball
 (DIR) Fifa
 (DIR) Real Madrid
 (DIR) Fifa
 (DIR) Joseph Blatter
 (DIR) WM
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Antrag auf Fifa-Kongress: Israel rauswerfen
       
       Der palästinensische Fußballverband wird auf dem Fifa-Kongress den
       Ausschluss von Israel zur Abstimmung bringen. Das sorgt für Unmut.
       
 (DIR) Kolumne Press-Schlag: Sepp grätscht dazwischen
       
       Regeln gelten auch für Barça, Atlético und Real. Von der Transfersperre bis
       zum Verbot des „Third-Party-Ownership“ – auf die spanischen Klubs kommt
       einiges zu.
       
 (DIR) Website zu WM-Auswirkungen: Die Wahrheit liegt neben dem Platz
       
       Eine niederländische Website widmet sich den Gewinnern und vor allem den
       Verlierern der letzten Fußball-WMs – im sozialen und politischen Kontext.
       
 (DIR) Sportbegeisterte Frauen im Iran: Der Weg ins Stadion ist noch weit
       
       Im Iran wird darüber diskutiert, ob Frauen Sportwettbewerbe besuchen
       dürfen. Volleyball könnte bald gehen, Fußball wohl eher nicht.
       
 (DIR) Deutsche Frauen-Nationalmannschaft: Riesinnen in Spiellaune
       
       Trotz vieler Ausfälle siegt Deutschland mit 4:0 gegen Brasilien. Die
       Präzision im Passspiel macht Hoffnung für die WM in zwei Monaten.