# taz.de -- Die Wahrheit: Autodieb aus Versehen
       
       > In Irland werden viele Wagen von professionellen Ganoven gestohlen.
       > Manchmal reiht man sich selbst unbeabsichtigt ein in die Armee der
       > Spitzbuben.
       
       Werbung funktioniert. Die Reklame von VW und Audi läuft fast jeden Abend im
       irischen Fernsehen, und beide Automarken führen die Tabelle der geklauten
       Autos auf der Grünen Insel an. Jedes Jahr werden mehr als 10.000 Wagen in
       Irland gestohlen, 40 Prozent davon in Dublin. Die Schieberbanden
       beauftragen junge Drogenabhängige mit dem Diebstahl und zahlen ihnen 200
       Euro pro Auto.
       
       Mir ist vor vielen Jahren in Berlin meine Ente geklaut worden. Es war eine
       besondere Ente, denn sie war von meinem versoffenen Mechaniker in
       Schöneberg aus drei Schrottautos zusammengebastelt worden, und sie
       benötigte neun Anläufe, um durch den TÜV zu kommen.
       
       Eines Morgens war sie weg. Ich rief bei der Polizei an. „He, hört mal“,
       rief der Beamte seinen Kollegen zu. „Jetzt klauen sie schon Enten.“ Im
       Hintergrund war schallendes Gelächter zu hören. Am nächsten Tag war das
       Auto wieder da, es war zwei Straßen weiter vor einer Kneipe geparkt. Mein
       Mechaniker saß im Wirtshaus. Er sei zu betrunken gewesen, die 250 Meter zu
       laufen, erklärte er mir.
       
       Einmal bin ich selbst fast zum Autodieb geworden. Meine Gattin Áine musste
       wegen eines gebrochenen Knöchels zur Nachuntersuchung ins Krankenhaus. Ich
       parkte den Wagen, einen rostbraunen Ford Escort, in einer Seitenstraße.
       Nach zwei Stunden war der Knöchel geröntgt. Ich half Áine ins Auto, stieg
       ein und ließ den Motor an. In dem Moment fiel mir das Duftbäumchen am
       Rückspiegel auf. Ich hasse diese baumelnden Chemiekeulen und wollte Áine
       gerade zur Rede stellen, als der CD-Spieler ansprang und „Danny Boy“
       spielte. Dieses Lied ist mir noch mehr zuwider als die Duftbäumchen.
       Langsam ging mir ein Licht auf, weil der Innenraum verdächtig sauber war.
       Es war nicht unser Wagen.
       
       Schlimm genug, dass fast alle Ford Escorts in Irland rostbraun sind. Aber
       dass sie auch den gleichen Schlüssel haben? Der Hersteller meint
       vermutlich, dass es vollkommen egal sei, welchen dieser Kleinwagen man
       nimmt. Mir war es aber nicht egal, ich hing an meinen CDs im Handschuhfach.
       Wir stiegen so geschwind wie mit einem gebrochenen Knöchel möglich aus und
       fanden unseren Escort vier Autos weiter. Zum Glück hatte uns niemand
       gesehen.
       
       Zu Hause angekommen, stellte Áine fest, dass sie ihre Röntgenbilder auf dem
       Rücksitz vergessen hatte – auf dem Rücksitz des anderen Autos. Also fuhr
       ich wieder zurück, öffnete den fremden Escort und nahm die Röntgenbilder,
       als mir ein kräftig aussehender Mann mittleren Alters auf die Schulter
       tippte und mich fragte, was ich in seinem Auto zu schaffen hätte.
       
       Ich wollte lediglich die Röntgenbilder meiner Frau holen, sagte ich. Das
       verwirrte ihn so sehr, dass er vorerst davon absah, mich zu vermöbeln. Ich
       erzählte ihm die ganze Geschichte. Er glaubte kein Wort, bis ich ihm
       bewies, dass mein Schlüssel für seinen Escort passte. „Wenn du schon einen
       Schlüssel für mein Auto hast“, meinte der Danny-Boy-Hörer, „kannst du die
       Kiste auch kaufen.“ Ich würde es mir überlegen, log ich und machte mich aus
       dem Staub.
       
       10 May 2015
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Ralf Sotscheck
       
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