# taz.de -- Bilanz Heidemarie Wieczorek-Zeul: Das Marionetten-Ministerium
       
       > 1.400 Mitarbeiter arbeiten in überflüssigen Doppelstrukturen, kritisiert
       > der Rechnungshof. Die Reform der Entwicklungshilfe war das große Ziel von
       > Wieczorek-Zeul – sie ist gescheitert.
       
 (IMG) Bild: Unterwegs um zu helfen: Heidemarie Wieczorek-Zeul im April in der nationalen Schulbuchbehörde in Islamabad (Pakistan).
       
       Es war eine der flammenden Reden, wie man sie von Heidemarie Wieczorek-Zeul
       kennt. "100 Millionen Menschen werden in Armut gefangen bleiben, viele
       Kinder vom Tod bedroht sein", sagte die Bundesentwicklungsministerin im
       Juni dieses Jahres vor den Vereinten Nationen in New York, "wir müssen
       alles tun, um eine humanitäre Katastrophe in der Welt zu verhindern."
       
       Auf der ganz großen Bühne fühlt sich Wieczorek-Zeul wohl. In elf Jahren
       Arbeit an der Spitze des Entwicklungsministeriums (BMZ) machte sich die
       Sozialdemokratin einen Namen als Politikerin, die das Leid der armen Länder
       immer wieder international angeprangert hat. Mit Verve hat HWZ, wie sie in
       der Entwicklungsszene genannt wird, für die Erhöhung der Haushaltsmittel
       für ihr Ministerium gekämpft - oft mit Erfolg.
       
       Dass ein Teil dieses Geldes auch in Zukunft vor der eigenen Ministeriumstür
       in überflüssigen bürokratischen Strukturen versickern wird, verschweigt
       Wieczorek-Zeul. Denn die wichtigste Reform dieser Legislaturperiode, die
       Zusammenführung der großen staatlichen Entwicklungshilfeorganisationen -
       der Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ) und der
       Entwicklungsbank der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) - ist trotz
       Vereinbarung aus dem Koalitionsvertrag gescheitert.
       
       Vier Jahre hat man nach Lösungen gesucht, sich in Ausschüssen,
       Arbeitsgruppen, Ministerien und dem Kanzleramt beraten und zerstritten -
       ohne Erfolg. Selbst ein Gutachten wurde vom Entwicklungsministerium bei der
       Unternehmensberatung PriceWaterhouseCoopers in Auftrag gegeben, um mögliche
       Modelle für eine Zusammenführung zu bewerten, doch auch der sechsstellige
       Betrag für dieses Papier kann nun ohne Gegenwert abgeschrieben werden. "Bei
       der Reform tut sich nichts mehr", gab Staatssekretär Erich Stather
       gegenüber der taz zu.
       
       Dass eine Reform dringend nötig gewesen wäre, bestreitet indes nicht einmal
       Stather. Mit der Unterzeichnung der Paris-Deklaration hat sich Deutschland
       2005 verpflichtet, die Wirksamkeit der Entwicklungshilfe zu erhöhen und
       Bürokratie zu beseitigen. Auch die OECD hat in dem sogenannten DAC-Bericht
       Deutschland anschließend aufgefordert, endlich Ordnung in sein Wirrwarr an
       parallel arbeitenden Organisationen zu bringen. Mehr als 30 davon sind in
       der staatlichen Entwicklungshilfe tätig. Die Teilung der finanziellen und
       der technischen Zusammenarbeit in KfW und GTZ ist weltweit einmalig.
       
       Besonders eklatant: Obwohl KfW und GTZ in der Praxis oft an denselben
       Programmen arbeiten, gibt es in jeder Organisation eigene Länder- und
       Strategieabteilungen. Die KfW hat eine Afrikaabteilung, die GTZ auch,
       dasselbe gilt für die meisten anderen Regionen und Themen dieser Welt. Laut
       Bundesrechnungshof arbeiten rund 1.400 Mitarbeiter in den Organisationen in
       überflüssigen Doppelstrukturen. Auch Justiziariat, Personalabteilung,
       Beschaffungsabteilung und Finanzwesen gibt es in beiden Institutionen.
       
       Geld wird verschwendet 
       
       Bürokratischer Höhepunkt ist aber wohl die Schaffung von Stellen wie die
       der "Schwerpunktkoordinatoren", die mit hohen Expertengehältern zwischen
       den Organisationen vermitteln und das Chaos mindern sollen. 5,8 Milliarden
       Euro beträgt der Bundeshaushalt für Entwicklungshilfe im Jahr 2009. Durch
       eine Zusammenführung von KfW und GTZ "ergeben sich Einsparmöglichkeiten",
       stellte der Rechnungshof in seinem Gutachten zum Reformvorhaben fest: "Das
       gewonnene Fachwissen könnte übergreifend benutzt werden, unternehmerische
       Eigeninteressen würden an Bedeutung verlieren."
       
       "Es ist sehr enttäuschend, dass man es nicht schafft, das eigene Haus zu
       reformieren und gut aufzustellen", sagt die Grünen-Entwicklungspolitikerin
       Ute Koczy, "wir werden uns auf lange Zeit den Vorwurf der Unfähigkeit
       gefallen lassen müssen."
       
       Koczy war zusammen mit ihren KollegInnen aus dem Entwicklungsausschuss
       Zeugin eines Prozesses, der von Anfang an problematisch verlaufen ist. "Es
       ist ein Paradebeispiel dafür, wie man eine Reform nicht angehen darf",
       spottet der CSU-Entwicklungsexperte Christian Ruck. Auch der FDP-Politiker
       Hellmut Königshaus beklagt: "Es wurden zahlreiche handwerkliche Fehler
       gemacht."
       
       Denn durch das zu Beginn der Legislaturperiode in Auftrag gegebene
       Gutachten zum Zusammenschluss nahmen sich KfW und GTZ von vornherein als
       Gegner wahr. Es galt, institutionelle Interessen zu wahren und die eigene
       Macht über die Entwicklungsagenda zu erhalten. Von beiden Institutionen
       wurden die Propagandamaschinen angeworfen, Lobbyisten gingen im Bundestag
       ein und aus. "Beide Organisationen lagen in den Schützengräben", sagt Ute
       Koczy. Möglich wurde dies, da sich beide einer Partei zuordnen lassen. Die
       KfW gilt als SPD-nah, die GTZ hat mit Bernd Eisenblätter einen CDU-Mann an
       der Spitze.
       
       Gerade Eisenblätters Rolle wird dabei hinter vorgehaltener Hand kritisiert.
       Aus Angst davor, dass die ausgezeichnet miteinander auskommenden
       Wieczorek-Zeul und die damalige KfW-Chefin Ingrid Matthäus-Maier eine
       Lösung aushandeln, in der die GTZ der KfW untergeordnet würde, hat
       Eisenblätter alles getan, um das Reformvorhaben zu bremsen. "Eisenblätter
       hat sich an die Spitze der Bewegung gegen die KfW gesetzt", sagt ein
       Parlamentarier. "Die Macht der GTZ ist gefährlich", heißt es aus dem
       Entwicklungsministerium.
       
       Dort spürt man diese Macht bereits heute. Den rund 500 Ministerialbeamten
       stehen 11.000 MitarbeiterInnen der GTZ gegenüber. Duzende GTZ-Mitarbeiter
       arbeiten mittlerweile als Berater im Ministerium und bestimmen maßgeblich
       die Politikagenda des Hauses, das pro Fachbereich oft nur mit ein oder zwei
       Referenten besetzt ist. "Auf das Fachwissen der GTZ kann das Ministerium
       gar nicht mehr verzichten", sagen Mitarbeiter.
       
       Um dabei die verlorene "politische Steuerungsfähigkeit" wenigstens nach
       außen zu demonstrieren, hat das Ministerium mittlerweile die Fachleute der
       GTZ aus den Referaten ausgegliedert und ein eigenes Haus für die GTZ
       eingerichtet - in unmittelbarer Nähe des Ministeriums in Bonn. "Es soll so
       aussehen, dass die GTZ keinen Einfluss mehr hat", heißt es aus der
       Mitarbeiterebene des Hauses. In wohl keinem Politikfeld ist das Ministerium
       so sehr Marionette einer nachgeordneten Organisation wie in der
       Entwicklungspolitik.
       
       Steuerungsfähigkeit, doppelte Verwaltung, internationaler Druck, auch der
       uneinheitliche Außenauftritt in den Entwicklungsländern: Für eine Reform
       gab es genügend Gründe. "Es gab im Ausschuss einen Konsens darüber, dass
       wir etwas tun müssen", sagt die Grüne Koczy, "nur die Ministerin
       verweigerte eine Entscheidung." Vor allem dem Druck der Lobbyisten scheint
       sich Wieczorek-Zeul gebeugt zu haben - wohl wissend, dass die
       Öffentlichkeit beim Thema Entwicklungspolitik oft nicht so genau hinsieht.
       "Wieczorek-Zeul hat sich keine politischen Gewinne von einer Reform
       erwartet", heißt es aus Ministeriumskreisen, "es fehlte am Ende der
       politische Wille zur Reform."
       
       "Nicht unsere Schuld" 
       
       Offiziell gibt man sich im Ministerium nun als Opfer "Wir müssen den Kopf
       hinhalten, dabei ist es nicht unsere Schuld", sagt Staatssekretär Erich
       Stather. Seine Version: Durch den Zusammenbruch der IKB-Bank im Jahr 2007
       in der Finanzkrise, eines Teils der KfW, und den Wechsel an der Spitze der
       Bank im Jahr 2008 sei zweimal eine Einigung durch äußere Umstände
       verhindert worden. Den Todesstoß hätte dem Vorhaben schließlich
       Wirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) verpasst - dessen Haus
       im Verwaltungsrat der KfW vertreten ist. "Es gibt keine Lösung, weil zu
       Guttenberg blockiert", sagt Stather, "mit Wirtschaftsminister Michael Glos
       gab es eine grundsätzliche Einigung, die auch die KfW mit einschließt."
       
       Aussagen, die im Wirtschaftsministerium für Verwunderung sorgen. "Es gab
       nie eine Zusage für eine große Lösung", sagt ein Ministeriumssprecher,
       "weder unter Glos noch unter zu Guttenberg". Auch aus Ministeriumskreisen
       hört man wiederholt einen Vorwurf: "Die Leitung will die Verantwortung für
       das Scheitern externalisieren."
       
       Selber äußern möchte sich Wieczorek-Zeul nicht. Weder zu den Vorwürfen, sie
       hätte das Reformvorhaben vernachlässigt, noch zu den Aussagen des
       Wirtschaftsministeriums. "Die Ministerin wird nichts mehr zu der Reform
       sagen", lässt ihr Sprecher ausrichten, "da gibt es eine Aufgabenteilung mit
       Staatssekretär Stather."
       
       Es passt ins Bild einer Heidemarie Wieczorek-Zeul, die gerne auf der
       internationalen Bühne auftritt und doch "einen Verschleiß an Kraft und
       Ideen zeigt", wie es aus ihren Kreisen heißt. "Es muss ein Wechsel an der
       Spitze her", heißt es weiter, "elf Jahre sind eine lange Zeit."
       
       21 Sep 2009
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Gordon Repinski
       
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