# taz.de -- Die Krupps
       
       > ■ Immer noch besser als Rio Reiser
       
       Nur dieses sei zur kurzen Wiederbelebung vorangestellt: 1976 wurden Male
       als eine der ersten Punkbands Deutschlands in Düsseldorf gegründet. Sie
       sangen deutsch und über Politik, einfacher und wütender als der damals
       landkommunensozialisierte Rio Reiser: »Ich mag nicht durch die Straßen
       geh'n, ich mag nicht die Zensierten seh'n, wie sie an den Ecken steh'n, ich
       kann sie einfach nicht mehr seh'n« (»Zensur Zensur«). Davon gab es auch
       eine Dub-Version, die in ihrer ungestümen Naivität an den zeitgleich
       praktizierten Experimental-Reggae eines Lee Scratch Perry erinnerte,
       musikalische Vorreiterschaft also auch im Lager der Punk-Recken.
       
       1980 erschien aus demselben Musikerklüngel um Jürgen Engler und Ralf
       Doerper die »Stahlwerkersymphonie« der Krupps (Zick Zack 30) auf Hilsbergs
       Hamburger Label, wo sie als Einstürzende Neubauten vom Rhein dem Mythos des
       genialen Dilettanten die Kraft des Stahlarbeiters hinzufügten. Engler am
       Stahlofon, das war der neue Punkprototyp mit dem Aussehen »Aussehen von Sid
       Vicious und der Kraft der Maschine« schrieb damals die Neue Züricher
       Zeitung und war vom rheinischen Musikarbeiter Engler angetan. »Wahre
       Arbeit, Wahrer Lohn«, die folgende Maxi, brachte die erste Kollaboration
       von Arbeit und Freizeit, dem alten Traum von Marx und Freud. In der Disco
       wird genauso geschwitzt wie auf der Schicht und auch dasselbe gefunden. So
       in etwa haben es die Krupps mit ihrer Maxi- Single fast zehn Minuten lang
       erschallen lassen. Waren D.A.F. Kunst, dann waren die Krupps linke Politik.
       Das hinderte sie jedoch nicht daran mit einem Vertrag bei der Industrie in
       der Tasche in deren Versenkung zu verschwinden.
       
       Doerper, der bereits auf Rondo im Alleingang die Filmmusik des
       zweiteinzigst guten Carpenter-Films (neben »Dark Star«) »Assault — Anschlag
       bei Nacht« mit Minimal- Synthesizer-Aufwand für die ewigkeit festgehalten
       hatte, setzte sich mit der Band Propaganda nach England ab. Die erste
       Veröffentlichung für die Industrie floppte, Engler verdingte sich als
       A&R-Mensch bei einer Plattenfirma, Propaganda floppte ebenfalls, und
       Doerper kam zurück zu Engler und und und... Man muß nicht alle Geschichten
       nochmal erzählen. Jürgen Engler trägt heute ein einfaches Charles-Manson-
       T-Shirt und sieht auch sonst so gut gemeint grimmig aus, als sei er erst
       vor ein paar Tagen frisch dem Underground entstiegen.
       
       Seine Texte beißen. Wild stakkatierend quält er seine Stimme durch
       gesamtdeutsche Visionen von »doppelgesichtiger Hingebung«, bei der ihm nur
       der Gedanke an »1000 Jahre« kommt. Da ist er immer noch der Punk der ersten
       Stunde, der er schon mit 16 Jahren war. Das macht ihn um soviel
       symphatischer als die fehlfarbene Heinhäme. Auf »Die Platte des himmlischen
       Friedens« singt der mit einer öden Altmännergebrochenheit, als müße er für
       BAP die Reisekoffer packen.
       
       Nichts dergleichen bei den Krupps. Hier treffen sich subversive und
       künstlerische Modalitäten. Auf dem »Metal Machine Music«-Label kommt das
       alles im Crossover von Metal (Speed, Techno, Trash) und Machine Music
       (Techno, EBM) zusammen. Da kann Engler auf der Single zur ersten
       gesamtdeutschen Wahl, »Germaniac«, schimpfen und grinden, während die Beats
       in allen möglichen Varianten tuckern, mal in der Speed-Version mit 244
       Anschlägen pro Minute oder in der Walhalla-Version mit teutonischem Tam
       Tam. Nach 15 Jahren ist Engler kein bißchen weiser, greiser oder leiser.
       Harald Fricke
       
       Um 21 Uhr im Ecstasy
       
       14 Jun 1991
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) harald fricke
       
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