# taz.de -- Daniel Cohn-Bendit kommt aufs taz.lab: Schluss mit dem ewigen Abwiegeln!
       
       > Daniel Cohn-Bendit fordert einen EU-Kommissar und einen Bundesminister
       > für Asyl und Integration. Nur so wäre Deutschland fähig als
       > Einwanderungsland politisch zu handeln.
       
 (IMG) Bild: Daniel Cohn-Bendit stellt Forderungen, unter anderem auf dem taz.lab.
       
       Zwar ist der Grieche Dimitris Avramopoulos in der Kommission Juncker für
       Migration, Inneres und Bürgerschaft zuständig und läuft unter
       „Flüchtlingskommissar“, doch sei er „hilflos“ angesichts der bestehenden
       und nicht funktionierenden Strukturen. „Es braucht eine neue europäische
       Direktive zu Einwanderung, Asyl und Migration, die die Arbeit des
       Kommissars auf eine andere Grundlage stellt“, sagte Cohn-Bendit der taz. 
       
       Die globale Flüchtlingsdynamik und -integration könne nur als gemeinsames
       EU-Projekt gemeistert werden und nur in durchgängig funktionierenden
       Strukturen: EU, Bund, Länder. Daher brauche es auch ein eigenes
       Bundesministerium und ein Einwanderungsgesetz. 
       
       „Als nach dem Zweiten Weltkrieg die Vertriebenen integriert werden mussten,
       gab es ein Vertriebenenministerium. Nun braucht es ein Ministerium für
       Einwanderung, Asyl und Integration“, sagt Cohn-Bendit. Das Ministerium
       müsse unverzüglich installiert werden, so wie entsprechende Ministerien in
       allen Bundesländern. „Nur so ist Deutschland fähig, als Einwanderungsland
       politisch zu handeln.“ 
       
       ## Wie damals in Frankfurt
       
       Cohn-Bendit, 70, wird am 2. April Gast beim tazlab sein. Er dürfte der
       bekannteste Europapolitiker des Kontinents sein, lebt und arbeitet in zwei
       Kulturen, der französischen und der deutschen; er gehört zu den
       profiliertesten Befürwortern des europäischen Projekts jenseits von
       Nationalstaaten. 
       
       1989 hatte er in Frankfurt am Main nach einem rot-grünen Wahlsieg das erste
       Amt für multikulturelle Angelegenheiten (AMKA) gegen SPD und Teile der
       Grünen durchgesetzt. Er war dann bis 1997 dessen erster Leiter. 
       
       „Ich komme mir im Moment vor wie damals in Frankfurt“, sagt er. „Immer das
       gleiche Abwiegeln, die Frage: Was soll das? Und die ewige Rede, das könne
       man doch auch in den etablierten Strukturen machen.“ Könne man nicht, das
       zeige ja die Situation. 
       
       ## Die Probleme derer angehen, die bereits im Lande sind
       
       Das Innenministerium sei für diese Aufgabe nicht geeignet, weil es der
       Logik der Abwehr von Gefahren verpflichtet sei. Man brauche einen auf
       gelingende Einwanderung konzentrierten Ansatz und vor allem auch einen
       eigenen Haushalt, eine Struktur, eine politische Pyramide. 
       
       Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) wird in seinem Konzept
       dem neuen Ministerium untergeordnet; Finanzminister Schäuble stellt dem
       neuen Einwanderungsminister die zwölf Milliarden Euro zu Verfügung, die er
       gerade als Überschuss gefunden hat. „Damit kann man es organisieren, dass
       wir es schaffen‘“. 
       
       Mit dem Einwanderungsministerium will Cohn-Bendit jenseits der Fragen von
       Obergrenzen, Abschiebungen und der auf offene vs. geschlossene Grenzen
       fixierten Gesamtdiskussion das Problem der Integration jener angehen, die
       bereits im Land sind. 
       
       Der entscheidende Faktor sei jetzt die Zeit. Das aufwendige Filtern von
       jenen, die bleiben können, bessere im Moment die Lage nicht. „Man muss alle
       anerkennen, die da sind. Wenn man jetzt auf null stellt, kann man die ganze
       Sache richtig angehen.“ 
       
       ## Radikal umsteuern
       
       Es gehe darum, sich der Einwanderung mit politischer und administrativer
       Struktur zu stellen. Das ist seine Lehre aus den Frankfurter Jahren. Die
       CDU habe damals jedes Jahr versucht, sein Amt abzuschaffen. Als dann aber
       ihre Kandidatin Petra Roth Bürgermeisterin wurde, wurde es nicht
       abgeschafft. Cohn-Bendit folgert nun: „Wenn es das einmal gibt, dann bleibt
       es auch, weil alle sehen, dass es etwas bringt. Das macht dann auch die
       CSU.“ 
       
       Es gibt bisher keine Anzeichen dafür, dass Kanzlerin Merkel ihr Kabinett
       umbilden und gar erweitern könnte. Warum sollte sie? „Weil es sonst nicht
       klappt“, sagt Cohn-Bendit. „Wir schaffen es nur, wenn sie im Kabinett
       radikal umsteuert.“ Damit würde in der Konsequenz auch Merkel gestützt. 
       
       Es sei eine Ironie der Geschichte, dass ihre größten Unterstützer im Jahr
       2016 Leute wie Joschka Fischer und er seien – aber der Komplexität der
       Gegenwart durchaus angemessen. 
       
       [1][PETER UNFRIED], Chefreporter der taz
       
       25 Jan 2016
       
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