# taz.de -- Unsinnige Maßnahme und schöne Geste
       
       > ■ Fischmarkt-Speicher: Museum der Arbeit und Greenpeace streiten um
       > Frauenwandbild n Von Kai v. Appen
       
       50 Millionen-Mark-Investition für den Fischmarktspeicher oder Erhalt des
       Frauenbildes? Heute will eine „große Runde“ die Zukunft des Wandbildes
       „Frauenarbeit im Hafen“ am Fischmarkt-Speicher klären. VertreterInnen des
       Museum der Arbeit, von Greenpeace, des dänischen Investors
       Rasmussen&Schiotz (R&S) sowie der Kulturbehörde suchen nach einem
       Kompromiß. Greenpeace-Office-Managerin Ulrike Kalkhoff hegt Hoffnungen:
       „Danach wird es ein Ergebnis geben.“
       
       Im Mai vorigen Jahres hatte Bürgermeister Henning Voscherau der
       Umweltschutzorganisation, die nach neuen und größeren Büroräumen in der
       Hansestadt sucht, den alten Elbspeicher zum Kauf angeboten. Da Greenpeace
       aber das Gemäuer lediglich mieten wollte, präsentierten die Umweltschützer
       den dänischen Baugiganten R&S als möglichen Käufer. Der will den
       historischen Speicher aus dem Jahre 1873 für 50 Millionen Mark unter
       Denkmalschutz-Vorgaben restaurieren und wieder in seinen Ur-Zustand
       versetzen.
       
       Dazu sollen die Außenfassade penibel hergerichtet, der Backstein freigelegt
       sowie die Fenster wieder eingebaut werden. Innen soll das Gebäude unter
       streng ökologischen Kriterien gestaltet werden. Greenpeace wird
       längerfristig die Nutzung von 3.000 Quadratmetern auf zweieinhalb
       Geschossen garantiert. Schaumstoff-Lübke behält für seinen Raritätenmarkt
       die unteren Etagen.
       
       Womit Greenpeace nicht rechnete: Statt Lobeshymnen zogen die Umweltschützer
       den Zorn des Museums der Arbeit und vieler Frauengruppen auf sich. Grund:
       Durch die Freilegung der Backsteinfassade muß das im Auftrag des Museums
       zum Hafengeburtstag 1989 entstandene Wandbild „Frauenarbeit im Hafen“
       weichen – für das Museum ein wichtiges frauenpolitisches Dokument, das mit
       der Klischeevorstellung „Männerdomäne Hafen“ aufräumt.
       
       Daß das Bild vorübergehend entfernt werden muß, sieht auch die
       Kunsthistorikerin Elisabeth von Dücker vom Museum der Arbeit ein. Sie
       verlangt aber, daß das Bild anschließend wieder angebracht wird. Zumindest
       eine kleinere Version oder Teile das Ex-Bildes in mosaikhaften Elementen.
       Für sie ist der Standort Fischmarktspeicher „unverzichtbar“, das Bild von
       überregionaler Bedeutung und unschätzbarem Wert.
       
       Doch Greenpeace-Boß Tilo Bode zeigte sich kompromißlos. In einem Brief
       setzte er Kultursenatorin Christina Weiss am 9. November 1993 die Pistole
       auf die Brust: Speicher oder Wandbild, so sein knallhartes Ultimatum. Bodes
       Mitarbeiterin Ulrike Kalkhoff zeigt da mehr Fingerspitzengefühl: „Wir sind
       verhandlungsbereit,“ erklärte sie gegenüber der taz, „und ich habe gute
       Hoffnungen, daß es eine Lösung gibt.“
       
       Und auch aus dem Museum der Arbeit klangen gestern moderate Töne. Direktor
       Gernot Krankenhagen: „Daß die Frauen, die das Bild erstellt haben, bis zum
       letzten Moment versuchen, soviel zu erhalten wie möglich, ist
       verständlich“. Wenn es aber „sachliche Argumente“ gäbe, werde sich das
       Museum denen nicht verschließen. Krankenhagen: „Es gibt sicher bald eine
       Situation, wo man neu entscheiden muß. Ich kann mir vorstellen, daß das
       Wandbild auch woanders neu entstehen kann“.
       
       Auf viel Unterstützung kann das Museum offenbar nicht bauen: Selbst die
       Kulturbehörde scheint der Auffassung zuzuneigen, daß die
       Speicher-Restaurierung Vorrang und ein Wandbild auf dem Speicher ohnehin
       nichts mehr zu suchen habe, wenn das Gebäude unter Denkmalschutz gestellt
       wird. Kulturbehördensprecher Hans-Heinrich Bethge: „Denkmalschutz hat
       Priorität.“ Es sei zwar bedauerlich, „wenn das Objekt ganz untergeht“, aber
       um es neu zu erstellen – auch auf dem Speicher –, fehlten der Behörde
       ohnehin die Mittel. Die Kulturbehörde habe volles Verständnis, wenn R&S bei
       einem Investitionsvolumen von 50 Millionen Mark auf seinem Konzept beharre.
       Bethge: „Es kann doch nicht von Interesse sein, Investoren zu unsinnigen
       Maßnahmen zu zwingen.“
       
       Dennoch sei es, so Bethge, aus Sicht der Kulturbehörde „wünschenswert“,
       wenn das Wandbild irgendwo im Hafen neu entstehen würde. Ganz im Sinne des
       Verursacher-Prinzips weiß er auch schon einen Weg: „Es wäre sicher eine
       schöne Geste, wenn Greenpeace das finanziert“.
       
       5 Jan 1994
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Kai v.Appen
       
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