# taz.de -- hörhilfe: Heino Jaegers „Alkoholprobleme in Dänemark“
       
       > Neue semantische Galaxien
       
       Dem Namen nach und von Hans Mentzens in der Titanic alle Jahre wiederholten
       Eloge kannte ich ihn schon: Heino Jaeger, den Kabarettisten und Satiriker,
       der in den 70er-Jahren einen gewissen Ruf hatte, dann aber bald wieder
       gründlich vergessen ward, auch weil er die letzten zehn Jahren seines
       Lebens in der Psychiatrie weilte, wo er 1997 an den Folgen eines
       Schlaganfalls starb. Aber gehört hatte ich ihn halt noch nicht, und gehört
       haben muss man ihn. Denn Jaeger ist ein Großmeister des gesprochenen
       Wortes. Wie dieser Mensch Dialekte, Sprachfehler, verbale Marotten und
       artikulatorische Eigenheiten imitiert oder oft eben auch einfach aus einer
       wild wuchernden Lautfantasie heraus generiert, das ist von so
       erschreckender Virtuosität, dass man darüber fast den Inhalt vergessen
       könnte. Das wäre dann aber in der Tat nicht mal der halbe Spaß – was
       Jaegers Protagonisten zu Protokoll geben, hat nämlich größte Aufmerksamkeit
       verdient.
       
       Diese einfach nur so monologisierenden oder von einem (ebenfalls von Jaeger
       gegebenen) Radioreporter befragten Schlafwandler und Deliranten ringen in
       tapfer-ohnmächtiger Verzweiflung um Ausdruck und Sprache und vor allem um
       einen Sinn, und je mehr sie sich in ihren eigenen Wortknäueln verstricken,
       desto betörender wird ihre Rede, desto nachhaltiger wird sie aus der
       logischen Umlaufbahn geworfen, auf zu neuen semantischen Galaxien, zu einem
       eigenen L'art-pour-l'art- Universum.
       
       Dabei sind Jaegers Wiedergänger ja eigentlich angetreten, um als
       Spezialisten ganz irdisch von ihrer Profession zu berichten, ob als Textil-
       oder Keksfabrikanten, als politische Kommentatoren, Botaniker, Zeitzeugen,
       Film- oder Literaturkritiker etc. Seinen Stoff holt er sich nämlich in
       erster Linie bei den Schul-, Kultur- und Bildungsprogrammen. Der Kontrast
       aus scheinbar sachlicher und in scheinbar wissenschaftlichem Jargon
       vorgebrachter Information und einem dabei wie zufällig entstehenden,
       mitunter neologismengesättigten Irr- und Aberwitz macht denn auch einen
       großen Teil des komischen Mehrwerts dieser Piecen aus. Man muss das wohl
       zitieren, sonst wird es kaum verständlich, aber die bloße Transkription
       bedeutet eben auch schon Reduktion, wie gesagt. Beim folgenden Passus aus
       „Ein Platz für Tiere“ etwa muss man immer die warme, onkelhafte, leicht
       wattige Diktion Grzimeks hinzuimaginieren: „Im Frankfurter Zoo ist
       inzwischen wieder Nachwuchs angekommen, das ... äh ... ein Affenbaby ...
       das zwölfjährige Affenbaby Katja. Und hier sehen wir auch, wie es an der
       Flasche gesäugt wird ... Es nimmt auch schon Nüsse auf ... Es unterscheidet
       auch schon mal, und das sollte so'n kleines Affenbaby schon können ... Das
       sollte man auch schon verlangen ... Hier wird's nun gerade aufgezogen, nun
       wird die Wäsche gewechselt ... Ist in unserem Film eigentlich auch ganz gut
       zu sehen, und 's hat eigentlich auch schon 'n paar Härchen aufm Kopf ...
       Und schaut doch so fröhlich in die Kamera ... äh ... rein.“
       
       Eckhard Henscheid, der die Auswahl besorgt und einen empathischen,
       emphatischen und Jaeger in seiner ganzen Größe gerecht taxierenden
       Booklet-Text dazu geschrieben hat, gibt in neidloser Verehrung zu, es sei
       diesen Stücken „ein manchmal Erhabenes und fast Epiphanisches und beinahe
       von aller Erdenpein schon hienieden Erlösendes“ zu eigen. Das stimmt. Vor
       allem aber sind sie witzig. Und augenscheinlich, das ist tröstlich, fiel
       Jaeger das alles nicht gerade zu. Auch er war wohl ein harter Arbeiter am
       Wort, der detailpenibel und mit zünftiger Präzision seine Kunststücke
       kalfatert hat – „erhaltene Tonband-Varianten im Studio und vor Publikum“,
       so Henscheid, hätten das gezeigt. Auch das glaubt man ihm gern, denn
       solcherart schwerelose Artistik, derlei spielerisch-kapriziöses Parlando
       lässt sich wohl schwerlich durch bloße Improvisation herstellen. FRANK
       SCHÄFER
       
       Heino Jaeger: „Alkoholprobleme in Dänemark“ (Kein & Aber Records)
       
       10 Oct 2000
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) FRANK SCHÄFER
       
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