# taz.de -- Kleiner Protest ganz groß
       
       > Der Protest gegen den Irakkrieg soll am Samstag weltweit seinen Höhepunkt
       > erreichen. In ganz Deutschland sind dezentral Proteste geplant. Für die
       > in Berlin begann die Organisation erst spät
       
       von JÜRGEN SCHULZ und TILL BELOW
       
       Die „Achse des Friedens“ gibt sich euphorisch. 20.000 bis 30.000 Teilnehmer
       erwarten die darin zusammengeschlossenen Berliner Initiativen morgen bei
       den Protestveranstaltungen gegen den drohenden Irakkrieg in Berlin. Dennoch
       ist dieses Mal vieles anders. Hundertausende Demonstranten wie kürzlich in
       Großbritannien und Italien werden nicht erwartet, eine zentrale bundesweite
       Demonstration in Berlin findet nicht statt. Stattdessen sind dezentrale
       Aktionen in etwa 70 Städten der ganzen Republik geplant, die Teil
       weltweiter Proteste von Friedensaktivisten in Asien, Australien und
       zahlreichen europäischen Ländern sind. Sie wollen Solidarität mit der
       Antikriegsbewegung in den USA demonstrieren.
       
       „Ich habe mich gefreut, zum ersten Mal in meinem Leben mit dem Strom zu
       schwimmen. Das ist eine neue Erfahrung, als linke Gruppe eine übergroße
       Mehrheit zu finden“, sagt Peter Strotmann von Attac, Mitorganisator des
       Protestes. Er meint den Umstand, dass die Friedensbewegung – anders als
       beim Kosovokrieg – mit der Bundesregierung weitgehend einer Meinung ist. Am
       Samstag könnten also Schröder, Fischer und Ströbele Seite an Seite mit
       PDSlern, Autonomen und Gewerkschaftern demonstrieren.
       
       Aber dem Friedensgeläut der Bundesregierung bringen die Friedenaktivisten
       auch Skepsis entgegen. „Der Beitrag Deutschlands gegen einen Krieg muss
       deutlicher ausfallen“, meint Peter Strutynski vom Kasseler
       Friedensratschlag, der bundesweit die Proteste koordiniert. Beispielsweise
       solle Kriegsflugzeugen aus den USA die Überflugsrechte über deutsches
       Territorium und damit auch die Nutzung der Airbases verweigert werden.
       
       Dennoch, der neuerliche Schulterschluss der Regierung mit der
       Friedensbewegung könnte ein Grund für die verhaltene Stimmung im Hinblick
       auf die Antikriegsaktionen in Berlin sein – trotz des breiten politischen
       Bündnisses gegen den Krieg. „Wir haben eine andere historische Situation
       als noch beim Golfkrieg 1991/92“, erklärt Peter Strotmann. Auch Peter
       Strutynski räumt ein, es sei „schwer, für eine bundesweite Aktion zu
       mobilisieren, wenn die Bundesregierung weitgehend die Forderungen der
       Friedensbewegung unterstützt. Deshalb haben wir davor gewarnt, wieder eine
       bundesweite Demonstration in Berlin zu machen.“ Über diesen Punkt wurde im
       Vorfeld innerhalb der Friedensbewegung heftig diskutiert.
       
       Doch die Vorbereitungen für den morgigen 26. Oktober begannen spät. In
       Berlin kümmerten sich seit Ende September zunächst acht Ehrenamtliche um
       die Organisation. Laura von Wimmersperg von der Friedenskoordination Berlin
       warnt davor, die Möglichkeiten der Berliner Friedensgruppen zu
       überschätzen: „Wir hatten erst Ende Mai die Anti-Bush-Demonstrationen. Das
       hat sehr viel Kraft gekostet. Wir machen das ja alles nebenher. Wir sind
       einfach nicht in der Weise organisiert wie in den Achtzigerjahren, als
       jeder Bezirk eine intakte Friedensorganisation hatte.“ Manchmal ermangele
       es auch einfach noch der bundesweiten Koordination.
       
       Ein weiteres Problem für die Friedensfreunde ist die neue
       Unübersichtlichkeit in der Linken. Einige so genannte antideutsche Gruppen
       planen sogar Gegenaktionen zur Antikriegsdemo. Ausschließlich die
       US-Interessenpolitik werde von den Kriegsgegnern thematisiert, so das Credo
       der „Antideutschen“. Dass die Bundesregierung den Krieg aus eigenen
       geostrategischen Gründen ablehne, werde nicht gesehen. Die Friedensbewegung
       unterstütze so deutsche Interessen, das herrschende Regime im Irak und
       weltweit islamistische Kräfte. Die Zeitschrift Bahamas fordert sogar „Krieg
       dem Baath-Regime, Waffen für Israel!“
       
       Strutynski findet das völlig absurd: „Der Protest gegen den Irakkrieg ist
       nicht gleichzusetzen mit Solidarität zu Saddam Hussein.“ Der
       Friedensbewegung gehe es vielmehr um die Bevölkerung, der ein neuer
       Golfkrieg erneut sehr viel Leid bringen würde.
       
       25 Oct 2002
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) JÜRGEN SCHULZ/ TILL BELOW
       
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