32:1 Als das Volk sah, dass Mose noch immer nicht vom Berg herabkam, versammelte es sich um Aaron und sagte zu ihm: Komm, mach uns Goetter, die vor uns herziehen. Denn dieser Mose, der Mann, der uns aus Aegypten heraufgebracht hat - wir wissen nicht, was mit ihm geschehen ist. [1-35: Der Stier (im AT oft abwertend: Kalb) ist Sinnbild der Kraft und der Fruchtbarkeit. Darum werden in der Umwelt Israels die Goetter oft in Stiergestalt oder mit Hoernern dargestellt. Als spaeter Jerobeam I. die Nordstaemme von der Dynastie Davids und vom Kult in Jerusalem losreisst, laesst er in seinen Staatsheiligtuemern Bet-El und Dan mit Gold ueberzogene Stierbilder aufstellen, die zunaechst als Symbole fuer den Gott Israels gedacht waren, aber vom Volk bald als Bilder des Fruchtbarkeitsgottes Baal verehrt wurden (vgl. 1 Koen 12,26-33).] 32:2 Aaron antwortete: Nehmt euren Frauen, Soehnen und Toechtern die goldenen Ringe ab, die sie an den Ohren tragen, und bringt sie her! 32:3 Da nahm das ganze Volk die goldenen Ohrringe ab und brachte sie zu Aaron. 32:4 Er nahm sie von ihnen entgegen, zeichnete mit einem Griffel eine Skizze und goss danach ein Kalb. Da sagten sie: Das sind deine Goetter, Israel, die dich aus Aegypten heraufgefuehrt haben. [Er zeichnete eine Skizze: Die Bedeutung von H ist umstritten; andere Uebersetzungsmoeglichkeit: Er formte das Gold in einer Gussform und goss daraus . . .] 32:5 Als Aaron das sah, baute er vor dem Kalb einen Altar und rief aus: Morgen ist ein Fest zur Ehre des Herrn. 32:6 Am folgenden Morgen standen sie zeitig auf, brachten Brandopfer dar und fuehrten Tiere fuer das Heilsopfer herbei. Das Volk setzte sich zum Essen und Trinken und stand auf, um sich zu vergnuegen. 32:7 Da sprach der Herr zu Mose: Geh, steig hinunter, denn dein Volk, das du aus Aegypten heraufgefuehrt hast, laeuft ins Verderben. 32:8 Schnell sind sie von dem Weg abgewichen, den ich ihnen vorgeschrieben habe. Sie haben sich ein Kalb aus Metall gegossen und werfen sich vor ihm zu Boden. Sie bringen ihm Schlachtopfer dar und sagen: Das sind deine Goetter, Israel, die dich aus Aegypten heraufgefuehrt haben. 32:9 Weiter sprach der Herr zu Mose: Ich habe dieses Volk durchschaut: Ein stoerrisches Volk ist es. 32:10 Jetzt lass mich, damit mein Zorn gegen sie entbrennt und sie verzehrt. Dich aber will ich zu einem grossen Volk machen. 32:11 Da versuchte Mose, den Herrn, seinen Gott, zu besaenftigen, und sagte: Warum, Herr, ist dein Zorn gegen dein Volk entbrannt? Du hast es doch mit grosser Macht und starker Hand aus Aegypten herausgefuehrt. 32:12 Sollen etwa die Aegypter sagen koennen: In boeser Absicht hat er sie herausgefuehrt, um sie im Gebirge umzubringen und sie vom Erdboden verschwinden zu lassen? Lass ab von deinem gluehenden Zorn, und lass dich das Boese reuen, das du deinem Volk antun wolltest. 32:13 Denk an deine Knechte, an Abraham, Isaak und Israel, denen du mit einem Eid bei deinem eigenen Namen zugesichert und gesagt hast: Ich will eure Nachkommen zahlreich machen wie die Sterne am Himmel, und: Dieses ganze Land, von dem ich gesprochen habe, will ich euren Nachkommen geben, und sie sollen es fuer immer besitzen. [Gen 22,17; 26,4; 17,8] 32:14 Da liess sich der Herr das Boese reuen, das er seinem Volk angedroht hatte. 32:15 Mose kehrte um und stieg den Berg hinab, die zwei Tafeln der Bundesurkunde in der Hand, die Tafeln, die auf beiden Seiten beschrieben waren. Auf der einen wie auf der andern Seite waren sie beschrieben. 32:16 Die Tafeln hatte Gott selbst gemacht, und die Schrift, die auf den Tafeln eingegraben war, war Gottes Schrift. 32:17 Josua hoerte das Laermen und Schreien des Volkes und sagte zu Mose: Horch, Krieg ist im Lager. 32:18 Mose antwortete: Nicht Siegesgeschrei, auch nicht Geschrei nach Niederlage ist das Geschrei, das ich hoere. 32:19 Als Mose dem Lager naeher kam und das Kalb und den Tanz sah, entbrannte sein Zorn. Er schleuderte die Tafeln fort und zerschmetterte sie am Fuss des Berges. 32:20 Dann packte er das Kalb, das sie gemacht hatten, verbrannte es im Feuer und zerstampfte es zu Staub. Den Staub streute er in Wasser und gab es den Israeliten zu trinken. 32:21 Zu Aaron sagte Mose: Was hat dir dieses Volk getan, dass du ihm eine so grosse Schuld aufgeladen hast? 32:22 Aaron erwiderte: Mein Herr moege sich doch nicht vom Zorn hinreissen lassen. Du weisst doch, wie boese das Volk ist. 32:23 Sie haben zu mir gesagt: Mach uns Goetter, die uns vorangehen. Denn dieser Mose, der Mann, der uns aus Aegypten heraufgefuehrt hat - wir wissen nicht, was mit ihm geschehen ist. 32:24 Da habe ich zu ihnen gesagt: Wer Goldschmuck traegt, soll ihn ablegen. Sie haben mir das Gold uebergeben, ich habe es ins Feuer geworfen, und herausgekommen ist dieses Kalb. 32:25 Mose sah, wie verwildert das Volk war. Denn Aaron hatte es verwildern lassen, zur Schadenfreude ihrer Widersacher. 32:26 Mose trat an das Lagertor und sagte: Wer fuer den Herrn ist, her zu mir! Da sammelten sich alle Leviten um ihn. 32:27 Er sagte zu ihnen: So spricht der Herr, der Gott Israels: Jeder lege sein Schwert an. Zieht durch das Lager von Tor zu Tor! Jeder erschlage seinen Bruder, seinen Freund, seinen Naechsten. 32:28 Die Leviten taten, was Mose gesagt hatte. Vom Volk fielen an jenem Tag gegen dreitausend Mann. 32:29 Dann sagte Mose: Fuellt heute eure Haende mit Gaben fuer den Herrn! Denn jeder von euch ist heute gegen seinen Sohn und seinen Bruder vorgegangen, und der Herr hat Segen auf euch gelegt. [Die Haende mit Gaben fuellen war ein Ritus der Priestereinsetzung. Die Priester mussten dabei Opfergaben in die Haende nehmen, die sie Gott darbrachten.] 32:30 Am folgenden Morgen sprach Mose zum Volk: Ihr habt eine grosse Suende begangen. Jetzt will ich zum Herrn hinaufsteigen; vielleicht kann ich fuer eure Suende Suehne erwirken. 32:31 Mose kehrte zum Herrn zurueck und sagte: Ach, dieses Volk hat eine grosse Suende begangen. Goetter aus Gold haben sie sich gemacht. 32:32 Doch jetzt nimm ihre Suende von ihnen! Wenn nicht, dann streich mich aus dem Buch, das du angelegt hast. 32:33 Der Herr antwortete Mose: Nur den, der gegen mich gesuendigt hat, streiche ich aus meinem Buch. 32:34 Aber jetzt geh, fuehre das Volk, wohin ich dir gesagt habe. Mein Engel wird vor dir hergehen. Am Tag aber, an dem ich Rechenschaft verlange, werde ich ueber ihre Suende mit ihnen abrechnen. 32:35 Der Herr schlug das Volk mit Unheil, weil sie das Kalb gemacht hatten, das Aaron anfertigen liess. [gemacht, andere Uebersetzungsmoeglichkeit (nach den alten Uebersetzungen): verehrt.]