(SZ) Ach, wie war das Lernen schön, jedenfalls in SPD-regierten Ländern. Jetzt, da es solche kaum noch gibt, denkt man nostalgisch zurück an jene Jahre, als sozialdemokratische Bildungsreformer mit Hilfe von Orientierungsstufen, zotteligen Sozialkundelehrern und der Beseitigung des Geschichtsunterrichts einen neuen Menschen schaffen wollten. Das misslang zwar, war für das Schulkind aber nicht unangenehm. Es hörte, dass Noten letztlich in den Faschismus führen. Es lernte nicht mehr Schiller auswendig, sondern studierte "Die Rückkehr der Killerfrösche" oder "Onkel Dagoberts Geldspeicher", um am Beispiel der Trivialliteratur die Mechanismen der bürgerlichen Gesellschaft zu entlarven. Längst aber hat der Geist jener Zeit sich in die Gremien der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft geflüchtet, gleich einem Brontosaurus, der in seine Höhle humpelt, um dort in Ruhe auszusterben. Heute lernt man in der Gesamtschule Hagen-Nord wieder Grundrechenarten, und selbst in Bremen versuchen die Lehranstalten der Jugend einige Regeln jenes Benimms zu vermitteln, den sie ihr zuvor ausgetrieben hatten. Da rüpelnde und unbelesene Wichte für niemanden eine Freude sind, kann ein wenig Zucht nicht schaden. Aber leider erinnert der neue Geist der Erziehung an den bösen Drachen namens Frau Mahlzahn, der in den Erzählungen von Jim Knopf und Lukas, dem Lokomotivführer, eine Schule betreibt. Das Drachencurriculum hat verdächtige Übereinstimmungen mit den Erziehungszielen der Opposition und der von ihr bestallten Experten. "Kinder müssen lernen", brüllt Frau Mahlzahn, "LERNEN! Schluss mit Puppenspiel und Firlefanz. Sonst kommt Ihr in den Karzer!" Daran hätten die Ganztagsschul-Pädagogen von heute ihren Spaß. Sie haben erkannt, wer die Misere des Standortes Deutschland verursacht: das Kind mit seinem egoistischen Beharren auf Kindheit. Unterstützt wird es von Eltern, die nichts anderes mit sich anzufangen wissen, als sich dauernd mit ihrem Kind zu beschäftigen. Die Folge: Noch im Alter von vier Jahren will es herumspielen, statt mit FDP-Generalsekretärin Cornelia Pieper an die Einführung der Kleinkinderschule zu denken (dass es diverse Parteifreunde gibt, die ihr den Besuch einer solchen jederzeit empfehlen würden, muss hier unerörtert bleiben). Mit vier also will das Kind die Nachmittage bei der Mama vertändeln, statt mit dem Präsidenten der Freien Universität Berlin "die Mobilisierung aller Bildungsreserven" zu betreiben und Grundlagen der Marktwirtschaft zu lernen. Puppenspiel und Firlefanz! Zu denken gibt freilich: Jim Knopf kann nicht lesen. Vielleicht ging er ja in Hagen-Nord zur Schule. Aber es hat gereicht, um Frau Mahlzahn zu besiegen und die Kinder aus der Drachenschule zu befreien.