(SZ)Saarbrücken, Dudweilerstraße 2a: Es ist heiß in der kleinen Kammer, drückend heiß. Immer drehen sie den Heizungsregler bis zum Anschlag, wenn wieder ein Proband erwartet wird im Medizinisch-Psychologischen Institut des TÜV. Peter Altmaier, der Mann im Stuhl, schwitzt aber schon, seit er an der Ausfahrt Wilhelm-Heinrich-Brücke die Autobahn verlassen hat. Vorsichtshalber zwingt er sich das Lächeln ab, das so gut ankommt im heimischen Landkreis Saarlouis und Merzig-Wadern. Die zwei Frauen von der Wahrheitskommission beeindruckt das nicht. Sie sind aus hartem Holz geschnitzt, immun gegen Freundlichkeiten aller Art. Testen morgen die Eignung von Gefahrgut-Spediteuren, nehmen übermorgen Drogensünder ins Gebet. Nie hätte der Abgeordnete Altmaier damit gerechnet, dass es ihn, ausgerechnet ihn, erwischen würde. Schon gar nicht damals, als er im so genannten Lügenausschuss des Bundestags eine so glänzende Figur gemacht und dann, im Überschwang, einen "Ehrlichkeits-TÜV" für die Wahlprogramme aller Parteien vorgeschlagen hatte. War natürlich nicht ernst gemeint. War eben so dahingesagt, wie man manches sagt, was im Volk gut ankommt: dass Politiker den Leuten immer und ewig reinen Wein einschenken müssten, dass sie nichts versprechen dürften, was sie später nicht einhalten könnten, keinen Transrapid, kein Sportlerheim, nicht einmal die kleinste Umgehungsstraße - das übliche Gedöns. Dann aber ist der Kanzler auf den Zug aufgesprungen, hat sich Altmaiers Anliegen zu eigen gemacht, hat frisch und fröhlich noch einen draufgesetzt, und die Bild-Zeitung ist nicht müde geworden, den Kanzler dabei zu unterstützen. Seitdem also nimmt der TÜV nicht nur die Wahlprogramme der Parteien unter die Lupe, sondern die Abgeordneten selbst und ihr Leben von Anbeginn an. Nur die Wahrheit, nichts als die Wahrheit zählt fortan. So sitzt Peter Altmaier nun auf dem Stuhl in der heißen Kammer, Dudweilerstraße2a. Ein Klassenkamerad aus dem Gymnasium hat ihn angeschwärzt. Altmaier soll ihm das Schreibmäppchen geklaut, jegliche Schuld aber bestritten haben. Streng blicken die Frauen vom TÜV. Eine tritt vor, legt dem Probanden sanft den Zeigefinger auf die Nase, die sich im Nu rot färbt. Altmaier windet sich und wagt einen kühnen Ausfall. Versucht wieder ein Lächeln, zitiert den großen Kanzler Adenauer: "Wie mein Freund Pferdmenges unterscheide ich drei Stufen der Wahrheit - die einfache Wahrheit, die reine Wahrheit, die lautere Wahrheit." Hei, da wiehern die Frauen vom TÜV. "Pferdmenges", sagt die eine, "wie drollig". Die andere aber verhängt die Höchststrafe: Altmaier muss künftig als CDU-Obmann in allen Lügenausschüssen des Landes fungieren. Politik, richtige Politik, machen die anderen.