(SZ) Mit dem biblischen Sündenfall nahm das Elend, das unter dem Sammelbegriff "Menschheitsgeschichte" ziemlich unscharf zusammengefasst ist, seinen Anfang. Die bewegenden Momente dieser Geschichte lassen sich im wesentlichen mit Neid, Missgunst, Vorurteilen, Rachsucht sowie mit dem so genannten kleinen Unterschied benennen, der Männer und Frauen trennt, gleichzeitig aber auch unwiderstehlich anzieht. Die Ursachen für diese Leiden an sich selber abzubauen, ihnen den Nährboden zu entziehen - darin hat die Menschheit in Jahrtausenden zwar gewisse Forschritte gemacht, aber es bleibt dennoch viel zu tun. Um diesen letzten Rest auch noch aufzuarbeiten, haben wir im alten Europa die in Brüssel ansässige EU-Kommission, die mit ihrem Drang zur Vereinheitlichung drauf und dran ist, die Menschen und das, was sie verbindet, so zu normieren, dass alle Reibungen einer unseligen Vergangenheit angehören. Die jüngste Initiative aus Brüssel sieht eine Verdammung "stereotyper Darstellungen von Mann und Frau" vor. Damit ist, so wenigstens darf man bis zur Veröffentlichung des einschlägigen, gewiss mehrere hundert Seiten umfassenden Regelwerks vermuten, vor allem die Überbetonung sekundärgeschlechtlicher Merkmale bei Frauen gemeint. An derlei Stereotypen nimmt die griechische EU-Sozialkommissarin Anna Diamantopoulou Anstoß; sie wünscht sich zumindest einen für alle Mitgliedstaaten verbindlichen Kodex, der sexuell diskriminierende Darstellungen in der Werbung und in den Medien verbietet. Dagegen läuft nun seit Tagen die britische und deutsche Groschenpresse Sturm, die ihr dumpfes anti-europäisches Ressentiment gern und unübersehbar mittels nackter und vorzugsweise weiblicher Tatsachen an den Mann zu bringen sucht. Doch auch der Werbewirtschaft werden Frau Diamantopoulous Pläne überhaupt nicht gefallen. Die hält sich sowieso längst nicht mehr für marktschreierisch, sondern lebt in dem Glauben, dass sie die triste Wirklichkeit durch ihre bunte Gebrauchskunst verschönert. Verwunderlich ist nur, dass es ausgerechnet eine Griechin ist, die der nackten Sinnenfreude den Kampf ansagt. Immerhin war diese ein wesentliches Merkmal der klassischen griechischen Hochkultur, auch wenn dies von Johann Joachim Winckelmann verharmlost wurde: "Das allgemeine vorzügliche Kennzeichen der griechischen Meisterstücke ist endlich eine edle Einfalt, und eine stille Größe." Das zeigt, dass es entscheidend ist, wie man etwas auffasst. Der schwule Winckelmann war da freier als die feministische Diamantopoulou, die sich mit ihrem Vorstoß, so das Gerücht, vor allem gegen die bei den griechischen Sozialisten tonangebenden Machos zur Wehr setzen will. Die wirksamste Waffe des Weibes aber ist wie je die Verweigerung.