(SZ) Was Katz und Hund sind, schien bisher hinlänglich bekannt zu sein. Zoologen, die es genauer wissen wollten, einigten sich auf Felis catus und Canis familiaris, um die Haustiere von ihren wilderen Verwandten abzuheben. Das ging 250 Jahre lang gut, mit Carl von Linnés immer noch gültigem, vom Homo sapiens angeführtem System zur Klassifizierung der Lebewesen. Jetzt zeigt sich, dass erst 1,2 Millionen Spezies benannt und beschrieben sind. Um die restlichen acht Millionen zu erfassen, wären mindestens tausend Jahre nötig. So lange kann der Homo novus nicht warten - abgesehen davon, dass die meisten dieser Arten bis dahin ausgestorben wären, ohne je ordentliche Papiere erlangt zu haben. Ein internationaler Kongress der Taxonomen, der Fachleute für die Klassifizierung von Organismen, hat deshalb in New York (wo sonst?) beschlossen, der Schöpfung einen Strichcode zu verpassen. Die Vorteile liegen auf der Hand. Tausend Fälle können täglich abgewickelt werden, und jeder davon verursacht nur fünf Euro Kosten. Sprachen sind dabei nicht mehr gefragt, schon gar nicht Latein. "Die Natur war so freundlich", sagt ein Beteiligter, "jede Form von Leben mit einem Strichcode zu versehen. Wir müssen ihn nur ablesen." Dazu wird aus einer Probe das jeweilige DNA extrahiert und mit den Substanzen A, C, G und T durch schwarze Striche kodiert, schmal und breit wie auf den Etiketten im Supermarkt. Eingeweihte erkennen an seinem Muster sofort den afrikanischen Elefanten Loxodonta africana, denn der Code steht ganz einfach für den Anfang AACACTGTATCTATTATTTG der Genomkette, die für seine Artgenossen typisch ist. Verwechslung ist unmöglich, denn allein die ersten zwanzig Stellen erlauben eine Milliarde Kombinationen. Auch die Entwicklung des Kürzels TACTCTTTACCTTTTATTCG war keineswegs für die Katz: Sie ist es! Oft wird kritisiert, dass neue Prozeduren an Tieren versucht werden, ehe man beim Menschen Ernst damit macht. Das stimmt nicht immer. So wurde das größte Experiment aller Zeiten, der Sozialismus, keineswegs zuerst an Meerschweinchen ausprobiert, sondern unmittelbar am Homo sovieticus und seinen Nachahmern, die so wenig gefragt wurden wie Laborratten. Beim Strichcode ist der Mensch abermals voraus: auf Adressen, in Versicherungsdokumenten, in Krankengeschichten und so fort. Es braucht ja nicht so weit zu gehen - noch nicht - wie beim Normal-Tunesier, der seinen persönlichen Strichcode auf der Kennkarte hat. Seine berufliche Laufbahn, eventuelle Strafen, politische Sympathien oder Interessantes aus dem Privatleben sind dort jederzeit abrufbar. Aber auch wir sind längst unterwegs zu Orwells Farm der Tiere, erfasst, durchschaut, gefangen im Erkennungsnetz der Mobiltelefone, der Kreditkarten und des Internets.