(SZ) Eine böse Nacht, die vergangene Nacht! Wieder einmal lag der arme Mensch im allzu warmen Winterbett und hatte, gänzlich schlaflos, nur diesen einen Gedanken: Komm herbei, Schlaf! Doch je heftiger man nach ihm verlangte, desto weiter entfernte sich der Ersehnte. Wer war schuld an diesem Elend? Waren es wieder einmal die großen, die beängstigenden Weltnachrichten? Oder diesmal eher die kleinen, kuriosen Meldungen vom Rande? Jeder dritte Deutsche, so durften wir jetzt neidvoll erfahren, nimmt sein Haustier mit ins Bett - und wird mit diesem Bettgefährten offenbar glücklich. Ist dies also der Ausweg aus unseren allnächtlichen Qualen? Ein Hund, ein Huhn, zur Not auch ein Hamster? Oder doch etwas noch Größeres? Frei nach Shakespeare: Ein Pferd! Ein Pferd! Mein Wasserbett für ein Pferd! Sehr beunruhigend auch die Nachrichten von einem anderen Schlaflosen dieser Tage. Leverkusens Kolossalmanager Calmund hat, wie er zitternd gestand, tierische Angst vor jeder Nacht. Denn immer wieder wacht er auf, der Calmund, weil ein unheimlicher Besucher an seiner Bettdecke zupft: das Abstiegsgespenst. Shakespeare, um ihn ein zweites Mal zu erwähnen, würde sich sehr wundern über diese Szene. Denn seit seinem "Julius Caesar" ("Lasst wohlbeleibte Männer um mich sein, mit glatten Köpfen und die nachts gut schlafen") gilt er als ausgewiesener Schlafexperte. Wenn aber nun sogar ein Calmund, dem es an Glattköpfigkeit und erst recht Wohlbeleibtheit weiß Gott nicht mangelt, seinen Schlaf nicht mehr findet, dann, wahrlich, ist die Welt aus den Fugen. Und wenn schon bei uns armen Teufeln die Ruhe hin ist, wie schlecht erst müssen in diesen Vorkriegstagen die Mächtigen schlafen? Die Kanzler, Präsidenten, Diktatoren? Shake-speare, um ihn ein drittes, garantiert letztes Mal zu erwähnen, hat im "Macbeth" erzählt, wie der blutige Tyrann, lange bevor ihn seine Widersacher dann töten, vom grausamsten inneren Feind gepackt, gewürgt und schließlich erledigt wird - von der Schlaflosigkeit. "Dir fehlt die Würze aller Wesen - Schlaf", sagt seine Gattin und Mordgenossin. Bevor sie selber der Umnachtung verfällt. Hier war der Dichter (den man für den Weltmeister des Schreckens hält) viel zu optimistisch in seinem Glauben an die rächende Kraft des Gewissens. Die Tyrannen unserer Zeit sehen doch eher ausgeschlafen aus. Von keinem nächtlichen Alp gedrückt, mit ihrem Tagewerk zufrieden. Sie haben gedacht, was zu denken, getan, was zu tun war. Fertig. Mehr kann man von einem Mann nicht verlangen. Und so schläft der große Diktator friedlich ein. Nur wir, die berühmten kleinen Männer, liegen schon wieder wach, auch nächste Nacht. Und neben uns im Bette, stöhnend und schwitzend: Calmund! So warten wir und warten. Bis das Abstiegsgespenst wieder kommt. Hilfe!